Koordination

Beim Thema Koordination geht es um den Prozess der Arbeitsorganisation und des Wissensaustausches innerhalb eines Unternehmens.

Eine neue Perspektive

In Teal-Organisationen löst sich die Notwendigkeit zur Koordination nicht in Wohlgefallen auf. Allerdings werden die Vorgesetzten, die Rollen und die endlosen Sitzungen, die in früheren Phasen typischerweise dafür genutzt wurden, durch mehr Ad-hoc- und organische Prozesse ersetzt. Dazu gehören direkte Vereinbarungen und Verpflichtungen im Kollegenkreis, Ad-hoc-Sitzungen, Gespräche in internen sozialen Netzwerken sowie Personen mit spezifischen Rollen zur Unterstützung der Koordination. Zudem ist der Beratungsprozess zur Entscheidungsfindung fundamental für die Koordination.

Rote Organisationen

In roten Organisationen erfolgt die Koordinierung ad hoc, ist untrennbar mit Macht verbunden und generell auf die Durchsetzungsfähigkeit des Oberhaupts beschränkt.

Bernsteinfarbene Organisationen

Bernsteinfarbene Organisationen streben nach Ordnung und Vorhersehbarkeit. Koordination erfolgt hauptsächlich durch formalisierte Prozesse, an die sich alle halten. Aufgrund des statischen Charakters bernsteinfarbener Organisationen wird kaum Koordinationsbedarf jenseits etablierter Prozesse gesehen.

Orange Organisationen

Orange Organisationen sind im Sinne der Wettbewerbsfähigkeit auf kontinuierliche Innovation und Optimierung angewiesen. Dies ist mit einem höheren Bedarf an bereichsübergreifender Koordination verbunden. Die wichtigsten Maßnahmen sind Besprechungen, eine hierarchische Entscheidungsstruktur und die Schaffung von Stabsfunktionen. Vor allem in Sitzungen wird versucht, die Intelligenz der Gruppe zu nutzen. Es gibt fixe, regelmäßige (oft wöchentliche) Teamsitzungen auf allen Organisationsebenen sowie zahlreiche projekt- und funktionsübergreifende Besprechungen zu spezifischen Initiativen.

Grüne Organisationen

In grünen Organisationen ist Koordination oft zeitaufwändig, da aufgrund der Organisationskultur die Gefühle der Menschen stärker berücksichtigt werden. Viel Zeit wird damit verbracht, potenziell gegensätzliche Standpunkte zu einem Konsens zu bringen. Dieser egalitäre Ansatz kann zu zermürbend langen Sitzungen und einem Mangel an effektiver Entscheidungsfindung führen. Infolgedessen entsteht manchmal das Bedürfnis nach Machtspielen hinter den Kulissen, um die Dinge voranzutreiben.

In der Praxis

In einer Pyramidenstruktur sind Sitzungen auf jeder Ebene erforderlich, um Informationen auf ihrem Weg entlang der Befehlskette (in beide Richtungen) zu sammeln, zu bündeln, zu filtern und weiterzuleiten. In selbstorganisierten Strukturen entfallen diese Besprechungen fast vollständig. Die Überlast durch Sitzungen ist in traditionellen Organisationen umso größer, je höher man in der Hierarchie aufsteigt. Der typische Tag eines Topmanagers besteht aus aufeinanderfolgenden Besprechungen. Es wird gewitzelt, dass in den meisten Unternehmen die Fachkräfte in den unteren Hierarchieebenen arbeiten, während diejenigen in den höheren Rängen Meetings abhalten. In funktionalen pyramidalen Strukturen könnte es kaum anders sein. Je höher man kommt, desto stärker laufen die Linien zusammen. Erst ganz oben treffen die verschiedenen Abteilungen wie Vertrieb, Marketing, Forschung und Entwicklung, Produktion, Personal und Finanzen aufeinander. Entscheidungen werden nach oben verlagert, denn nur dort können Abwägungen aus verschiedenen Blickwinkeln erfolgen. Das ist fast schon deterministisch: Bei einer pyramidalen Struktur beschweren sich diejenigen an der Spitze über Überlast durch Meetings, während sich die Menschen darunter entmachtet fühlen.[1]

Teal-Organisationen haben keine Strukturen mit festen Berichtslinien, die sich zu einer Pyramide auftürmen, sondern eher kleine, autonome Teams. Wie werden dann teamübergreifende Maßnahmen koordiniert? Wie wird verhindert, dass die Organisation auseinanderfällt?

Teal-Organisationen gehen mit Koordinationsbedarf pragmatisch um: Form folgt Funktion. Wenn ein Problem oder eine Möglichkeit auftaucht, wird eine Ad-hoc-Sitzung einberufen. Bei Bedarf an einer dauerhafteren Form der Koordination wird gegebenenfalls eine spezielle Rolle geschaffen. In einer Fabrik könnten die Teams beispielsweise eine Rolle für den Austausch bewährter Methoden, den gemeinsamen Einkauf oder die Lohnbuchhaltung etablieren. Derartige Rollen werden mittels umgekehrter Delegation geschaffen: Die Teams delegieren Koordinierungsaufgaben an jemanden außerhalb des Teams. Diese Person hat keine Befugnis, Entscheidungen oder Regeln vorzugeben. Wenn die Koordination nicht mehr erforderlich ist, wird die Rolle aufgelöst. Nichts von alledem muss von oben genehmigt werden; alles geschieht organisch. Besprechungen und Rollen in selbstorganisierten Strukturen entstehen spontan und existieren so lange, wie sie dem Ökosystem einen Mehrwert bieten.[2]

Direkte Vereinbarungen und Verpflichtungen

Die einfachste Form der Koordination besteht darin, dass ein Kollege mit einem anderen spricht - unabhängig von dessen Rolle und Stellung. In Abwesenheit hierarchischer Strukturen ist niemand außen vor. Keine Vorgesetzte muss informiert werden, wenn jemand sich an andere Kollegen wenden möchte.

Ad-hoc-Besprechungen

In selbstorganisierten Unternehmen gibt es in der Regel keine festen, regelmäßigen Besprechungen zwecks teamübergreifender Koordination. Sitzungen werden ad hoc und bei Bedarf anberaumt.

Interne soziale Netzwerke

IT-Instrumente wie interne soziale Netzwerke und Wissensdatenbanken spielen eine entscheidende Rolle bei der Vermeidung unnötiger Strukturen sowie bei Wissensaustausch und Koordination (vor allem, wenn Unternehmen wachsen und die Mitarbeitenden über verschiedene Standorte verteilt sind).

Spezifische Koordinationsrollen (umgekehrte Delegation)

Wenn eine dauerhaftere und umfassendere Form der Koordination erforderlich ist, kann eine spezifische Rolle dafür geschaffen werden. In einer Fabrik könnten die Teams beispielsweise eine Funktion für den Austausch bewährter Praktiken, den gemeinsamen Einkauf oder die Lohn- und Gehaltsabrechnung etablieren. Derartige Rollen werden mittels umgekehrter Delegation geschaffen: Die Teams delegieren sinnvolle Koordinierungsaufgaben an jemanden außerhalb des Teams. Diese Person hat keinerlei Befugnis, die Nutzung ihrer Dienste, Entscheidungen oder Regeln vorzuschreiben. Wenn die Koordination nicht mehr erforderlich ist, wird die Funktion wieder aufgelöst.

Beratungsprozess

Selbstorganisierte Unternehmen nutzen einen Entscheidungsfindungs- bzw. Beratungsprozess, der über traditionelle Top-down- oder konsensbasierte Methoden hinausgeht. Der Beratungsprozess ist ein leistungsfähiger, alltäglicher Mechanismus zur Koordination von Aktivitäten in selbstorganisierten Unternehmen. Wenn eine Kollegin eine Entscheidung vorschlägt, andere darüber informiert und deren Rat einholt, sorgt sie für Koordination. Wenn sie später die Kollegen über die endgültige Entscheidung in Kenntnis setzt, ist die Koordination bereits erfolgt. Der Beratungsprozess ist das Herzstück der Koordination in Teal-Organisationen.

Häufig gestellte Fragen

Selbstorganisation

Da Koordination weitgehend organisch und freiwillig erfolgt und nicht durch Hierarchie erzwungen wird, unterstützen diese Methoden das Prinzip des Selbstmanagements.

Ganzheitlichkeit

Aufgrund der Freiwilligkeit steht es jedem zu, die Koordinierung von Bemühungen auf eine Weise zu unterstützen, die er oder sie für richtig hält und die den eigenen Talenten und Interessen entspricht.

Evolutionärer Zweck

Der Teal-Ansatz zur Koordination ermöglicht es einer Organisation, als lebendiges System mit eigenem Orientierungssinn zu funktionieren. Die Mitarbeitenden sind koordiniert, da sie sich bei all ihren Handlungen vom Organisationszweck leiten lassen. Das Vertrauen in die kollektive Intelligenz des Systems macht in vielen Fällen einen Masterplan überflüssig.

Konkrete Fälle als Inspiration

Der Schlüssel zur Koordination bei Fitzii ist ein wöchentliches Update im sozialen Netzwerk des Unternehmens.

Bei Fitzii finden wöchentliche Updates im internen sozialen Netzwerk (Yammer) statt, das für den Informationsaustausch und den Erhalt von Ratschlägen von zentraler Bedeutung ist. Jedes Mitglied des Kernteams schreibt ein wöchentliches Update zu Arbeitsaktivitäten, Beratungsprozessen und Anliegen.

Die wöchentlichen Updates von Fitzii sind für die Kommunikation von entscheidender Bedeutung. Sie stellen sicher, dass jedes Teammitglied regelmäßig Zugang zu einer Vielzahl von Informationen über das Unternehmen hat: von der finanziellen Leistung bis hin zu Kundenanliegen und dem persönlichen Engagement des Einzelnen. Das führt zu einem besseren Abgleich und einem größeren Engagement der Fitzii-Teammitglieder. Die Eigentümer und der Beirat von Fitzii sind ebenfalls Mitglieder der Yammer-Gruppe und fügen gelegentlich ermutigende Kommentare hinzu oder stellen schwierige Fragen im Rahmen der wöchentlichen Updates oder bei Beiratssitzungen.

Holacracy schafft spezifische Rollen für die Koordination

In Holacracy's Struktur der verschachtelten Kreise gibt es spezifische koordinierende Rollen, die "Links" genannt werden. Unterkreise wählen einen Repräsentanten, den "Rep Link", für ihren übergreifenden Kreis, der an allen Treffen dieses Kreises teilnimmt. Der übergeordnete Kreis entsendet einen eigenen Vertreter, den "Lead Link", der an den Diskussionen in den Unterkreisen teilnimmt. Beide Rollen sind mit spezifischen Verantwortlichkeiten verbunden, um eine ordnungsgemäße Koordinierung zwischen Kreis und Unterkreis zu gewährleisten. Siehe auch "Rollendefinition und -zuweisung"/"Konkrete Beispiele zur Inspiration"/"Holacracy" und Holacracy's constitution.

HolocracyOne hat einen unternehmensweiten Rollenmarktplatz eingerichtet, um die Arbeitsbelastung zu koordinieren

HolacracyOne hat einen unternehmensweiten Rollenmarktplatz eingerichtet, um den Rollentausch zu erleichtern. Im Intranet des Unternehmens gibt es eine Datei, in der Kollegen jede Rolle, die sie derzeit ausfüllen, auf einer Skala von -3 bis +3 "bewerten" können:

  • Ob sie die Rolle anregend (+) oder belastend (-) finden.
  • Ob sie ihre Talente mit dieser Rolle in Einklang bringen (+) oder nicht (-).
  • Ob sie ihre derzeitigen Fähigkeiten und Kenntnisse als förderlich (+) oder einschränkend (-) für diese Rolle empfinden.

Auf der gleichen Skala von -3 bis +3 können Personen auch ihr Interesse an Rollen signalisieren, die derzeit von anderen Personen besetzt sind. Der Marktplatz hilft also Menschen, die Rollen abgeben oder übernehmen wollen.

Bei Morning Star koordiniert man sowohl ad hoc als auch mit Hilfe schriftlicher Jahresvereinbarungen.

Mitarbeitenden bei Morning Star fiel auf, dass Gewindesicherung (ein Klebstoff, der verhindert, dass sich Schrauben und Muttern versehentlich lösen) in Dutzenden von verschiedenen Formaten und von unterschiedlichen Anbietern gekauft wurde. Dadurch gingen nicht nur Mengenrabatte verloren. Der unkoordinierte Einkauf verursachte auch unnötigen bürokratischen Aufwand, da in der Lebensmittelindustrie vorgeschrieben ist, jedes Format in einem Sicherheitsdatenblatt zu erfassen. Ein Mitarbeiter schlug vor, dass er einmal im Quartal durch das Werk gehen könnte, um die Bestellungen zu koordinieren. Eine ähnliche Lösung ergab sich für den Einkauf von Verpackungsmaterial, wo sich Mengenrabatte schnell summieren können.[3]

Ein weiterer wichtiger Mechanismus für die Koordination bei Morning Star ist CLOU (Colleague Letter of Understanding). Siehe „[Rollendefinition und -zuweisung] (https://reinventingorganizationswiki.com/theory/role-definition-and-allocation/)" (Role Definition and Allocation) und dann „Konkrete Beispiele zur Inspiration"/"Morning Star" (Concrete examples for inspiration”/”Morningstar”).

Bei Buurtzorg, wo 9000 Krankenschwestern und -pfleger über das ganze Land verstreut sind, spielt das interne soziale Netzwerk 'BuurtzorgWeb' eine entscheidende Rolle beim Wissensaustausch.

Bei Buurtzorg spielt das unternehmensinterne soziale Netzwerk "BuurtzorgWeb" eine Schlüsselrolle bei der gemeinsamen Nutzung von Wissen. Wenn im gesamten Unternehmen viel Wissen vorhanden ist, besteht die Schwierigkeit darin, es zu finden. Mit BuurtzorgWeb können Krankenschwestern und Krankenpfleger leicht einen Kollegen mit einem bestimmten Fachwissen ausfindig machen und kontaktieren. Fragen können in einem kontinuierlichen Strom online gestellt werden, ähnlich wie bei Facebook. Aufgrund des hohen Engagements auf der Plattform wird jede Frage innerhalb weniger Stunden von Tausenden von Kollegen gesehen und zieht eine oder mehrere Antworten nach sich.

Ein Beispiel dafür, wie sich eine Initiative in einer Teal-Organisation ausbreiten kann, ist das kürzlich von einem Buurtzorg-Team auf dem Lande entwickelte neue Konzept einer Patientenpension, die der Hauptpflegeperson des Patienten eine Pause bieten soll. Dieses Konzept wurde allen Kollegen auf einer Betriebsausflug vorgestellt. Niemand bei Buurtzorg traf die Entscheidung, dass dies zum Zweck von Buurtzorg passt oder nicht passt oder dass Ressourcen für die Ausweitung der Initiative bereitgestellt werden sollten. Das Konzept wird seinen eigenen Lauf nehmen müssen. Wenn es skalierbar sein soll, wird es Krankenschwestern und -pfleger in anderen Teams anziehen, um es organisch zu verwirklichen.

Bei FAVI erfolgt die Koordination organisch und auf freiwilliger Basis durch regelmäßige Treffen, Projekte und Delegation in umgekehrter Richtung.

Bei FAVI ist die Produktion nach Kunden organisiert. Dadurch wird die Verteilung der Arbeitslast zum wichtigen Thema: Da die Kundenaufträge schwanken, können an einem bestimmten Tag einige Teams zu viel und andere zu wenig Arbeit haben. Statt einen COO oder Einsatzplaner einzustellen, der über die Verteilung der Arbeit auf die Teams entscheidet, wählte FAVI eine organische und elegante Lösung. In regelmäßigen Abständen trifft sich eine Gruppe von Vertreterinnen aus jedem Team für ein paar Minuten. Sie besprechen kurz, welche Teams über- oder unterbesetzt sind. Zurück in ihren Teams bitten sie um Freiwillige, die das Team für eine oder zwei Schichten wechseln. Die Person aus dem Audi-Team könnte zum Beispiel fragen, wer bereit wäre, einen Tag im Volvo-Team zu arbeiten. Dies geschieht organisch und auf freiwilliger Basis. Niemand wird von einer höheren Instanz einem anderen Team zugewiesen.[4]

Verwandte Themen

    Anmerkungen und Referenzen


    1. Übersetzt aus: Laloux, Frederic (2014-02-09). Reinventing Organizations: A Guide to Creating Organizations Inspired by the Next Stage of Human Consciousness (Kindle Locations 1752-1759). Nelson Parker. Kindle Edition. ↩︎

    2. Übersetzt aus: Laloux, Frederic (2014-02-09). Reinventing Organizations: A Guide to Creating Organizations Inspired by the Next Stage of Human Consciousness (Kindle Locations 1810-1814). Nelson Parker. Kindle Edition. ↩︎

    3. übersetzt aus: Laloux, Frederic (2014-02-09). Reinventing Organizations: A Guide to Creating Organizations Inspired by the Next Stage of Human Consciousness (Kindle Locations 2394-2395). Nelson Parker. Kindle Edition. ↩︎

    4. Übersetzt aus: Laloux, Frederic (2014-02-09). Reinventing Organizations: A Guide to Creating Organizations Inspired by the Next Stage of Human Consciousness (Kindle Locations 1766-1772). Nelson Parker. Kindle Edition. ↩︎