Onboarding

Das Thema Onboarding beschreibt, wie neue Kollegen bei ihrem Eintritt in eine Organisation empfangen und unterstützt werden. Es umfasst Schulungsaktivitäten und Rotationsprogramme, die neuen Mitarbeitern helfen, sich erfolgreich in die Organisation und ihre Kultur zu integrieren.

Eine neue Perspektive

Jede historische Phase hat eine andere Perspektive auf das Onboarding und sehr unterschiedliche Praktiken hervorgebracht:

Rote Organisationen

In roten Organisationen üben die Führungspersonen ständig ihre Macht aus, um die Kontrolle zu behalten. Sie umgeben sich oft mit Familienmitgliedern und vertrauenswürdigen Beratern und erkaufen sich deren Loyalität, indem sie die Einnahmen teilen. Der Onboarding-Prozess beinhaltet in der Regel ein Ritual der Loyalität gegenüber der Führungsperson. Mythische Geschichten über die Macht der Führungskraft machen die Runde und sind Teil des Onboarding-Prozesses.

Bernstein-Organisationen

Bernsteinfarbene Organisationen legen Wert auf Ordnung und Vorhersehbarkeit. Jeder hat seinen Platz in einer Hierarchie, die klar definierte Rollen und Verantwortlichkeiten hat. Beim Onboarding geht es darum, die Anforderungen der Rolle und die damit verbundenen Erwartungen zu erlernen. Das bedeutet oft, dass persönliche Bedürfnisse und Gefühle zugunsten der Organisation zurückgestellt werden müssen. Von den Mitarbeitern wird erwartet, dass sie die Regeln befolgen und in ihrer "Box" bleiben.

Orange Organisationen

Orange Organisationen sind durch Wettbewerb und Leistungsstreben gekennzeichnet. Innovation ist der Schlüssel, um an der Spitze zu bleiben. Der Onboarding-Prozess ist oft funktional. Die Mitarbeiter erhalten vielleicht ein paar Broschüren über die Geschichte, das Leitbild und die Werte des Unternehmens, oder es findet eine zweistündige Sitzung statt, in der ein leitender Angestellter über diese Themen spricht. Aber meistens sind die ersten Schritte ganz alltäglich: Papiere müssen unterschrieben, ein Schreibtisch und ein Computer gefunden und es muss ein Passwort vergeben werden für den Zugang zum Firmennetzwerk. Sobald die neue Mitarbeiterin bereit ist, muss sie versuchen, etwas Zeit im Terminkalender ihrer Vorgesetzten zu gewinnen, um eine Einweisung in ihre Aufgaben zu erhalten.

Grüne Organisationen

Grüne Organisationen konzentrieren sich auf Kultur und Stärkung der Handlungskompetenz, um die Motivation der Mitarbeiter zu fördern. Die Vermittlung des Ansatzes und der Fähigkeiten der dienenden Mitarbeiterführung ist ein wichtiger Aspekt des Onboardings von Führungspersonen. Die Führungskräfte spielen ihrerseits eine wichtige Rolle bei der Aufnahme neuer Mitarbeiter in die Organisation und helfen ihnen, die Kultur zu verstehen. Beim Onboarding geht es oft darum, eine Gemeinschaft aufzubauen und der neuen Familie offen zu begegnen.

Teal-Organisationen

Teal-Organisationen investieren viel Zeit in die Aufnahme und Schulung neuer Kollegen. Dazu gehört oft das Erlernen neuer zwischenmenschlicher Fähigkeiten, das Verständnis dafür, was Selbstführung in der Praxis bedeutet, und das Durchlaufen eines Rotationsprogramms. Diese Programme vermitteln allgemeine Fähigkeiten und bieten den neuen Kollegen die Möglichkeit, ein breites Spektrum an Menschen kennenzulernen. Neuankömmlinge werden auch in die Praktiken der Selbstführung, der Ganzheit und des evolutionären Sinns eingeführt. Sie werden eingeladen, ihre Berufung und ihre Talente in Bezug auf den Sinn und die Tätigkeiten der Organisation zu betrachten.

In der Praxis

Schulung in zwischenmenschlichen Fähigkeiten und in der Unternehmenskultur

Teal-Organisationen investieren viel Zeit und Energie in die Einführung neuer Kollegen. Die ersten Tage und Wochen sind entscheidend, um ihnen zu helfen, einen neuen und oft sehr anderen Arbeitsplatz zu verstehen. Im Mittelpunkt des Onboarding-Prozesses steht eine Form der Schulung, die den Kollegen hilft, die neue Umgebung, in die sie eingetreten sind, zu verstehen und sich darin zurechtzufinden.

Bei Buurtzorg werden zum Beispiel alle neuen Teammitglieder in Problemlösungs- und Besprechungspraktiken geschult, damit sie in einem Team ohne eine Chefin arbeiten können. Alle neuen Mitarbeiter bei Heiligenfeld durchlaufen sechs Schulungsmodule, die Themen wie "Selbstführung" und "Umgang mit Misserfolgen" beinhalten. Alle neuen Mitarbeiter bei Morning Star nehmen an einem Seminar über die Grundlagen der Selbstführung teil.

Für Personen, die zuvor eine Führungsposition innehatten, kann der Übergang besonders schwierig sein. Sie müssen lernen, wie man Dinge erledigt, ohne auf Anweisung und Kontrolle zurückzugreifen.

Ein wesentlicher Teil des Onboarding-Prozesses ist häufig dem Verständnis des Konzepts des evolutionären Sinns gewidmet. Neue Mitarbeiter werden ermutigt, ihre persönliche Berufung zum Ausdruck zu bringen, um herauszufinden, inwieweit diese mit dem Zweck der Organisation übereinstimmt, und um zu lernen, wie sie sich gegenseitig unterstützen und fördern können.

Es gibt kein perfektes Rezept für einen Teal-Onboarding-Prozess. Jede Organisation wählt eine Reihe von Tätigkeiten aus, die darauf abzielen, neue Fähigkeiten zu vermitteln und dabei das Herz und die Seele der neuen Mitarbeiter zu berühren. Eine gute Möglichkeit, einen Onboarding-Prozess zu entwickeln, besteht darin, die Mitarbeiter, insbesondere die neuen, zu bitten, ihr eigenes Onboarding-Programm und ihre eigenen Aktivitäten mitzugestalten.

Ein Grundlagentraining in einigen der folgenden Praktiken hilft neuen Kollegen, die in einer Teal-Organisation anfangen.

Grundregeln oder Vereinbarungen

Die Schaffung eines sicheren Arbeitsplatzes beginnt mit der Sensibilisierung aller Mitarbeiter für die Worte und Handlungen, die ein sicheres Arbeitsumfeld schaffen oder untergraben. Teal-Organisationen verwenden viel Zeit und Energie auf die Schulung aller Mitarbeiter in einer Reihe von Grundregeln oder Vereinbarungen, die eine gesunde und produktive Zusammenarbeit fördern. Diese Grundregeln sind eine greifbare Anwendung der Kultur und Werte der Organisation. In einigen Organisationen werden sie schließlich in einem Dokument festgehalten.

Natürlich braucht es mehr als ein Dokument, um Werte mit Leben zu füllen. Viele untersuchte Teal-Organisationen haben sich dafür entschieden, gleich am Anfang zu beginnen: Alle neu eingestellten Mitarbeiter werden im Rahmen der Einarbeitung zu einer Schulung über die Unternehmenswerte und Grundregeln eingeladen, was dazu beiträgt, gemeinsame Bezugspunkte und eine gemeinsame Sprache in der gesamten Organisation zu schaffen. Diese Grundregeln und Werte werden regelmäßig überprüft, um sicherzustellen, dass sie den evolutionären Zweck der Organisation bestmöglich widerspiegeln und ihm dienen.

Sinn

Ein Dialog darüber, wie der Sinn der Organisation mit der persönlichen Berufung der neuen Kollegen übereinstimmt, kann eine großartige Einführung sein. Teal-Organisationen werden als etwas angesehen, das ein eigenes Leben und einen eigenen Sinn hat. Anstatt zu versuchen, die Zukunft vorherzusagen und zu kontrollieren, werden die Mitglieder der Organisation eingeladen, zuzuhören und zu verstehen, was die Organisation werden will. Indem sie den evolutionären Sinn verstehen, können sie erkennen, wie sie dazu beitragen und gleichzeitig ihre eigene persönliche Berufung erfüllen können.

Einige Gründer und CEOs - wie Jos de Blok bei Buurtzorg und Yvon Chouinard bei Patagonia - halten dieses Modul für so wichtig, dass sie sich dazu entscheiden, an jeder Onboarding-Sitzung teilnehmen.

Meetingpraktiken

Meetings werden nicht selten zu Spielwiesen für das Ego, die die Seelen in den Hintergrund drängen. Aus diesem Grund haben fast alle untersuchten Teal-Organisationen spezielle Meeting-Praktiken eingeführt, die den Teilnehmern helfen, ihre Egos im Zaum zu halten und miteinander von der Ganzheit aus zu interagieren. Für neue Mitarbeiter ist es wichtig, über Praktiken wie Momente der Stille und strukturierte Entscheidungsfindung Bescheid zu wissen. So können sie zu produktiven Meetings beitragen.

Rotationsverfahren

Manche Organisationen entscheiden sich dafür, jeden neuen Mitarbeiter in Frontline-Fähigkeiten zu schulen. Ziel ist es, Beziehungen zu anderen Mitarbeitern im gesamten Unternehmen aufzubauen und zu verstehen, wie das Unternehmen funktioniert. Dieses Verständnis ermöglicht es den Mitarbeitern, neue Ideen und Vorschläge effektiver zu entwickeln.

Bei FAVI, einem französischen Automobilzulieferer, wurden alle Ingenieure und Verwaltungsmitarbeiter darin geschult, mindestens eine Maschine in der Werkstatt zu bedienen. Dies fördert die Gemeinschaft und ermöglicht es jedem, in der Werkstatt zu helfen, wenn die Nachfrage hoch ist.

Bei Sun Hydraulics beginnen alle neu eingestellten Mitarbeiter mit einer "Fertigungstour", unabhängig von ihrer zukünftigen Rolle. Dieser Ansatz fördert das Verständnis und das Gemeinschaftsgefühl innerhalb des Unternehmens. Es ist nicht ungewöhnlich, dass Mitarbeiter nach diesem Prozess eine andere Rolle übernehmen als die, für die sie eingestellt wurden.

Häufig gestellte Fragen

Lassen Sie ausführliche Interviews mit den Kandidaten durch zukünftigen Kollegen führen und konzentrieren Sie sich auf die Übereinstimmung mit dem Zweck der Organisation und den Praktiken von Selbstführung, Ganzheit und evolutionärem Sinn. Achten Sie besonders auf Kandidaten, die früher in anderen Organisationen leitende Positionen innehatten. Die Fluktuationsrate in dieser Gruppe ist hoch, wie das folgende Beispiel zeigt:

Paul Green Jr., der das Selbstführung-Institut von Morning Star leitet, schätzt, dass fast 50 Prozent der Personen, die früher in anderen Organisationen leitende Positionen innehatten (VP-Ebene oder höher), die Organisation nach ein oder zwei Jahren verlassen, "weil es ihnen schwerfällt, sich an ein System anzupassen, in dem sie nicht Gott spielen können".

Das Onboarding großer Gruppen von neuen Kollegen aus Nicht-Teal-Organisationen kann zu Spannungen führen. Der beste Weg, um störende Spannungen zu vermeiden, ist es, stetig neue Kollegen aufzunehmen und die Aufnahme sehr großer Gruppen von neuen Mitarbeitern auf einen Schlag zu vermeiden.

Achten Sie darauf, dass Sie eine Mischung aus Praktiken auswählen, die nicht nur den Verstand ansprechen, sondern auch das Herz und die Seele der neuen Kollegen berühren. Außerdem können Sie sie einladen, ihr Onboarding-Programm mitzugestalten.

Konkrete Fälle als Inspiration

Neu eingestellte FAVI-Ingenieurinnen und Verwaltungsangestellte werden in der Bedienung von mindestens einer Maschine in der Werkhalle geschult. Neue Mitarbeitende schreiben am Ende ihres Einarbeitungsprozesses einen offenen Brief an ihren unmittelbaren Kollegenkreis und bringen darin häufig ihre Freude und Dankbarkeit zum Ausdruck.

Bei FAVI, dem französischen Automobilzulieferer, werden alle Ingenieure und Verwaltungsangestellten in der Bedienung von mindestens einer Maschine in der Werkhalle geschult. Dieses Training wird regelmäßig in die Praxis umgesetzt: Sollen Aufträge in Windeseile erledigt werden, kommt es vor, dass alle mit anpacken müssen. Die Angestellten kommen aus den Büroräumen im ersten Stock, um für ein paar Stunden die Maschinen zu bedienen. Das hat einen wunderbar gemeinschaftsfördernden Effekt. Mitarbeitende aus dem technischen und administrativen Bereich arbeiten unter Anleitung der Maschinenführer. Sie erfahren so aus erster Hand, wie schwer die Arbeit an den Maschinen sein kann und wie viel Geschick sie erfordert. Am Ende des Tages, wenn die Aufträge pünktlich ausgeliefert werden, sind alle stolz auf die gemeinsam geleistete Arbeit.

Der Einarbeitungsprozess bei FAVI endet mit einer netten Geste. Neulinge, die in den ersten zwei Monaten alle Schulungsmodule absolviert haben, werden gebeten, einen offenen Brief an ihren unmittelbaren Kollegenkreis zu schreiben. Es gibt keine Anweisungen, worum es in dem Brief gehen soll, so dass die Neuen oft in sich gehen, um herauszufinden, was sie am besten sagen können. Die Briefe sind immer wieder tief berührende Zeugnisse der Dankbarkeit und Freude. Viele Menschen kommen zu FAVI, weil sie in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen mit Misstrauen und Kontrolle gemacht haben. Der Eintritt in ein Umfeld, in dem sie als vertrauenswürdig angesehen werden und wo ihre Stimme zählt, ist oft eine wegweisende Erfahrung. Viele Maschinenführer schreiben nicht gerne. Die richtigen Worte für einen Brief zu finden, kann sehr mühsam sein. So gleicht diese Praxis einem Ritual, einem Initiationsritus zum Eintritt in die Gemeinschaft.

Handwerk-Engagement-Programm

Onboarding-Programme sind sehr intensiv und umfangreich. Sie bieten eine Einarbeitung für neue Mitarbeitende und dauern bis zu 5 Tage. Dort lernen sie alle Bereiche von der Basis (Dörfer) bis zur Zentrale kennen. Dazu gehören auch die Handwerker. Die Personalabteilung sorgt dafür, dass Vertreterinnen aus jeder Abteilung ihre Arbeit vorstellen, damit neue Mitarbeitende ein gemeinsames Verständnis entwickeln können. Es werden viele Ressourcen (einschließlich Videos) und Geschäftsprozesse gezeigt und erklärt. Mit Hilfe des Handwerk-Engagement-Programms wird sichergestellt, dass ein ganzheitliches Verständnis vom Unternehmen und seinem Geschäftsmodell entsteht.

Verwandte Themen

    Anmerkungen und Referenzen