Projektteams und Arbeitsgruppen

In diesem Abschnitt wird beschrieben, wie funktionsübergreifende Teams entstehen und arbeiten und wie sich ihre Aktivitäten in die Organisationsstruktur einfügen.

Eine neue Perspektive

In früheren Organisationsphasen werden Projektteams und Arbeitsgruppen von der oberen Führungsebene eingerichtet, um die strengen organisatorischen Grenzen zu durchbrechen. In der Regel wird ein Projektmanager oder eine Teamleiterin ernannt, und die Mitglieder werden nach Kompetenz, Position, Loyalität, Teamfähigkeit oder anderen Faktoren ausgewählt. Die Teamleiterin steuert die Aktivitäten der Gruppe. Die obere Führungsebene entscheidet über die Auflösung des Teams bzw. der Arbeitsgruppe, wenn die Ziele erreicht wurden, das Projekt gescheitert ist oder die Erfolgsaussichten der Mühe nicht mehr wert sind.

Projektteams und Arbeitsgruppen in Teal-Organisationen weisen folgende Merkmale auf:

  • Sie bilden sich organisch und lösen sich wieder auf – je nachdem, was der evolutionäre Zweck der Organisation gerade erfordert. Sie werden nicht von jemandem mit entsprechender Befugnis ernannt.
  • Sie sind mit Personen besetzt, die das Projekt für wichtig halten und die sich sofort darum kümmern können und wollen. Das sind nicht unbedingt diejenigen mit der besten Ausbildung oder größten Erfahrung für die Aufgabe.
  • Es gibt keine einzelne Person, die das Team führt oder das Projekt leitet.
  • Der Einzelne setzt seine Prioritäten bei der Beteiligung am Projekt anhand folgender Maßstäbe: Was ist am wichtigsten? Was ist am dringendsten? Was macht am meisten Spaß?

In der Praxis

Organische Bildung

Im Teal-Paradigma gibt niemand die Bildung eines Projektteams oder einer Arbeitsgruppe vor. Sie werden gegründet, wenn mehrere Personen einen Bedarf sehen und einsatzbereit sind. Niemand wird aufgrund seiner Kompetenz oder seiner Position in der Organisation ernannt. Jeder kann ein Projektteam gründen. Wenn niemand Zeit für das Projekt hat, geht man davon aus, dass es offenbar im Moment nicht so wichtig ist.

Zweckorientierte Aktivität

Im Teal-Paradigma existiert ein Projektteam oder eine Arbeitsgruppe so lange, wie es bzw. sie einen bestimmten Teil des evolutionären Zwecks der Organisation unterstützt. Wenn dies erfüllt ist oder nicht erfüllt werden kann, löst sich das Projekt auf oder wird in etwas Neues umgewandelt. Die Teammitglieder setzen Prioritäten für ihr Engagement – je nachdem, was sie als am wichtigsten oder dringendsten erachten oder was ihnen am meisten Spaß macht. Wenn der Initiator eines Projekts die Mitarbeitenden nicht motivieren kann, sollte er sich fragen: Steht mein Projekt im Einklang mit dem Organisationszweck? Zieht ein anderes Projekt die Leute an, die ich brauche? Falls ja, wie können die Projekte Hand in Hand arbeiten?

Radikal vereinfachtes Projektmanagement

In Teal-Organisationen gibt es keine Projekt- oder Programm-Manager, keine Softwaresysteme oder Gantt-Diagramme zur Organisation oder Kontrolle der verschiedenen laufenden Projekte. Es gibt nur ein minimales Projektbudget, keinen Master- und selten einen Zeitplan. Es wird sehr viel Zeit gewonnen durch den Wegfall aller Formalitäten des Projektmanagements wie z.B. Planen, Einholen von Genehmigungen, Berichterstattung über den Fortschritt, Erklären von Abweichungen, Umplanen und Neueinschätzen. Ganz zu schweigen von politischen Spielchen rund um die Sicherung von Ressourcen für das eigene Projekt oder die Suche nach Schuldigen, wenn Projekte Zeitpläne oder Budgets sprengen.[1]

Fließender physischer Raum

In Unternehmen, in denen Teal-Projekte und Arbeitsgruppen zum Standard gehören, kann das architektonische Layout im Sinne einer „fließenden Struktur“ gestaltet sein. Das Büro von Sun Hydraulics ist ein großer, offener Raum mit speziell angefertigten, nur hüfthohen Kabinen. So kann man sofort sehen, wer da ist, und viele Gespräche mithören, was – so das Team – die Zusammenarbeit erheblich verbessere.

Bei Valve, einem Spieleentwickler in Seattle, haben alle Mitarbeitenden Schreibtische auf Rädern. Sie rollen damit umher, je nachdem, an welchem Projekt sie teilnehmen. Das Unternehmen hat sogar eine Intranet-App entwickelt, damit die Leute sich leicht finden können. Sie zeigt eine Bürolandkarte in Echtzeit an, auf der zu sehen ist, wer wo seinen Computer angeschlossen hat.[2]

Arbeitsgruppen statt Stabsabteilungen

In Teal-Unternehmen werden häufig freiwillige Arbeitsgruppen eingesetzt, um Aufgaben zu übernehmen, die normalerweise von Stabsabteilungen erledigt werden. Das hat mehrere Vorteile: Mitarbeitende können Talente und Begabungen einsetzen, die sie für ihre eigentlichen Aufgaben eher nicht brauchen. Sie können Fachexpertise entwickeln und dann mit anderen im Unternehmen teilen. Arbeitsgruppen sind auch eine hervorragende Möglichkeit zum Lernen. Mitarbeitende lernen technische und Führungsfähigkeiten von erfahreneren Kolleginnen in einer modernen Form der Ausbildung.[3]

Siehe auch: Stabsfunktionen

Häufig gestellte Fragen

Teal-Organisationen vertrauen auf die kollektive Intelligenz des Systems. Dies mag zwar riskant oder geradezu töricht erscheinen. Wenn wir jedoch Lehren aus der Wirtschaft ziehen, kommen wir zu dem Schluss, dass die zentralisierten Planungsausschüsse der Sowjetunion unwirksam waren. Während die heutigen Ansätze des Kapitalismus einiges zu wünschen übriglassen, hat sich das System der freien Marktwirtschaft als flexibler und reaktionsfähiger erwiesen: Zahlreiche Akteure nehmen Signale auf, reagieren, treffen Entscheidungen und stimmen sich untereinander ab. Das bedeutet, dass gelegentlich Themen durchs Raster fallen, was jedoch häufig als Ergebnis einer kollektiven Prioritätensetzung zu begrüßen ist. Das System streicht einfach ein weniger versprechendes oder unwichtiges Projekt.[4]

Agile und Lean können auf natürliche Weise in Teal-Projektteams eingebettet werden. FAVI ist ein Beispiel dafür: "Das Werk hat schon früh und intensiv japanische Fertigungstechniken übernommen; es beherrscht die kontinuierliche Verbesserung wie kaum ein anderes. Eine entscheidende Fähigkeit, um in der margenschwachen Automobilbranche zu überleben und zu gedeihen... Das Verfahren ist sehr einfach: Wann immer ein Team auf ein Problem oder eine Gelegenheit stößt, was quasi jeden Tag geschieht, wird dies in einem Logbuch festgehalten. Jeder kann sich dafür freiwillig melden, indem er seine Initialen neben die Notiz in das Logbuch schreibt. In der Regel beschließen die zwei oder drei Personen, die am meisten betroffen oder interessiert sind, sich zusammenzutun und das Problem zu analysieren. Wenn niemand ein bestimmtes Problem oder ein Thema aufgreift, bedeutet das, dass es wahrscheinlich nicht so wichtig ist. Andernfalls wird es wieder auftauchen, und irgendjemand wird es schließlich in Angriff nehmen... Niemand kümmert sich um Statistiken, Masterpläne, Projektmanagement-Software oder Berichte. Es gibt einen einfachen Erinnerungsmechanismus: Die Arbeiter haben eine Mitarbeiterin aus der Verwaltung gebeten, ab und zu die Protokolle durchzugehen. Wenn es Punkte gibt, die seit mehr als drei Monaten offen sind, erinnert sie die Leute, die sich verpflichtet haben, das Problem anzugehen. Die Teams haben diesen sanften Stupser als sehr hilfreich empfunden."[5]

Selbstorganisation

Im Teal-Paradigma sind die Projektteams und Arbeitsgruppen selbstorganisiert und freiwillig. Sie werden nicht von der oberen Führungsebene aufgestellt oder von einer Teamleitung gesteuert.

Ganzheitlichkeit

Im Teal-Paradigma wird niemand auf eine einzige Rolle oder Stellenbeschreibung reduziert. Menschen können sich Teams und Arbeitsgruppen anschließen, die ihren Interessen und Talenten entsprechen, und werden ermutigt, sowohl ihren rationalen als auch ihren intuitiven Verstand zu nutzen, um entsprechende Prioritäten zu setzen.

Evolutionärer Zweck

Individuen und Gruppen hören auf das, was ihrer Meinung nach gerade gebraucht wird, und bilden je nach Bedarf Projektteams. Wenn niemand Zeit für ein Projekt findet, gehen sie davon aus, dass es für den Zweck der Organisation im Moment nicht so wichtig ist.

Konkrete Fälle als Inspiration

Die AES ersetzte das Personal durch Task Forces und wies ihnen Zeit zu.

Mit 40.000 Mitarbeitenden weltweit, aber nur etwa 100 Mitarbeitenden in der Zentrale in Arlington, Virginia, hatte AES keine zentralen Wartungs- oder Sicherheitsabteilungen, keinen Einkauf, keine Personalabteilung und keine interne Revision. Das Unternehmen entwickelte die "80-20-Regel": Von jeder Person, die bei AES arbeitete, vom Reinigungspersonal bis zum Ingenieur, wurde erwartet, dass sie durchschnittlich 80 Prozent ihrer Zeit mit ihrer Hauptaufgabe verbrachte und sich für die anderen 20 Prozent in einer oder mehreren der vielen Aufgabengruppen zur Verfügung stellte, die es im Unternehmen gab.[6].

Man beachte, dass AES im Jahr 2001 an ein neues Management übergeben wurde, das beschloss, zu konventionelleren Managementansätzen zurückzukehren.

Verwandte Themen

    Anmerkungen und Referenzen


    1. Übersetzt aus: Laloux, Frederic (2014-02-09). Reinventing Organizations: A Guide to Creating Organizations Inspired by the Next Stage of Human Consciousness (Kindle Locations 1924-1927). Nelson Parker. Kindle Edition. ↩︎

    2. Übersetzt aus: Laloux, Frederic. Reinventing Organizations. Nelson Parker (2014), Seite 85-6 ↩︎

    3. Übersetzt aus: Laloux, Frederic. Reinventing Organizations. Nelson Parker (2014), Seite 90 ↩︎

    4. Übersetzt aus: Laloux, Frederic. Reinventing Organizations. Nelson Parker (2014), Seite 85-6 ↩︎

    5. Übersetzt aus: Laloux, Frederic. Reinventing Organizations. Nelson Parker (2014), Seite 89 ↩︎

    6. Übersetzt aus: Laloux, Frederic. Reinventing Organizations. Nelson Parker (2014), Seite 89 ↩︎