Einkauf und Investitionen
In diesem Abschnitt wird beschrieben, wie Einkauf und Investitionen in Teal-Organisationen funktionieren.
Eine neue Perspektive
Bei Einkauf und Investitionen gilt in Teal-Organisationen generell Folgendes:
- Jeder kann jeden Betrag ausgeben, sofern der Beratungsprozess eingehalten wird.
- Wer eine Investition vorschlägt, übernimmt die Verantwortung für die Durchführung und Überwachung des Einkaufsprozesses.
- Investitionsbudgets und Einkäufe einzelner Teams können im Kollegenkreis in Frage gestellt werden.
Die Entscheidungsbefugnis von Mitarbeitenden im Rahmen des Beratungsprozesses wird vielleicht am deutlichsten, wenn es um die Ausgabe von Unternehmensgeldern geht. In selbstorganisierten Unternehmen gibt es keine Genehmigungsgrenzen und keine Beschaffungsabteilungen. Die Mitarbeitenden oder Teams führen die Analysen durch, bestimmen die Anforderungen, besuchen die Lieferanten, führen die Verhandlungen und sichern bei Bedarf sogar die Finanzierung durch die Bank.
Im Gegensatz dazu lassen sich Beschaffung und Investitionen in Organisationen in früheren Entwicklungsstadien wie folgt charakterisieren:
Rote Organisationen
Im roten Paradigma entscheidet der Chef oder die Eigentümerin eines Unternehmens in der Regel selbst, was eingekauft oder wo investiert wird. Es gibt normalerweise keine formalen, dokumentierten Prozesse. Investitionen werden opportunistisch, wenn nicht gar impulsiv gemäß den Präferenzen des Chefs getätigt.
Bernsteinfarbene Organisationen
Im bernsteinfarbenen Paradigma werden Anschaffungen und Investitionen von speziell Verantwortlichen auf höchster Ebene innerhalb der Hierarchie nach einfachen, aber strengen Regeln getätigt. Investitionen erfolgen weniger impulsiv, sondern vielmehr nach mittel- oder langfristiger Planung. Der Einkauf selbst kann auf nachgeordneten Stufen der Organisation durchgeführt werden, solange man festgelegten Regeln folgt. Typischerweise gibt es Kontrollmechanismen, die die Einhaltung dieser Regeln sicherstellen.
Orange Organisationen
Im orangen Paradigma sind die strengen Regeln des bernsteinfarbenen Paradigmas offener und fließender. Regeln können im Sinne der Förderung von Investitionen in Frage gestellt oder geändert werden. Teile der Organisation werden ermächtigt, innerhalb eines bestimmten Rahmens eigenständig über Beschaffung und Investition zu entscheiden. Die Durchsetzung der Rechenschaftspflicht ist ein wichtiger Schritt zur Verteilung von Investitionsentscheidungen innerhalb der Organisation (z.B. in Projekten), um mehr und schneller innovieren zu können. Verteilte Investitionsentscheidungen werden akzeptiert, solange sie der von oben vorgegebenen Richtung folgen und die Teams das gewünschte Ergebnis erreichen. Ein Manager an der vordersten Front kann bis zu 1.000€ ausgeben, benötigt aber die Genehmigung seiner Vorgesetzten, wenn er diesen Betrag überschreitet. Eine Abteilungsleiterin kann bis zu 10.000€ ausgeben, ein Betriebsleiter bis zu 100.000€. Unabhängig von der Höhe der Beträge muss die Bestellung im Allgemeinen über eine zentrale Einkaufsabteilung laufen, die die Beziehungen und Verhandlungen mit den Lieferanten koordiniert.
Grüne Organisationen
Im grünen Paradigma werden Entscheidungen über Einkäufe und Investitionen stärker an die Mitarbeitenden an vorderster Front delegiert. Die Top-Down-Planung von orangen Organisationen wird durch Bottom-Up-Prozesse unter Beteiligung der operativen Experten ergänzt. Diese Ermächtigung aktiviert die Kreativität und die Verantwortlichkeit der Teams und gibt ihnen genügend Spielraum, um innerhalb der Budgetgrenzen und des Wertesystems der Organisation zu beschaffen oder zu investieren. In den meisten Organisationen gibt es noch Genehmigungsgrenzen. Stärker dezentralisierte oder verteilte Beschaffungsprozesse (oft unterstützt durch Software-Tools) sollten die Entscheidungsprozesse beschleunigen und die Agilität der Betriebsteams verbessern.
In der Praxis
Jeder kann unter Einhaltung des Beratungsprozesses jeden Betrag ausgeben.
Eine Angestellte, die einen neuen Drucker im Wert von 50€ benötigt, muss nicht die IT-Abteilung anrufen, auf grünes Licht vom Chef hoffen und Tage oder Wochen warten, bis der Drucker eintrifft. Sie kann den Drucker einfach im Laden oder Web-Shop kaufen. Im Prinzip kann jeder jede beliebige Summe ausgeben – vorausgesetzt, er hat sich vor der Entscheidung beraten lassen. Je größer die Anschaffung, desto mehr Personen sind in der Regel in den Beratungsprozess involviert. Wenn in hierarchischen Unternehmen die Ingenieure die Analyse durchführen und ein Maschinenmodell auswählen, beschweren sich die Mitarbeitenden hinterher oft über die neue Maschine und lernen nur widerwillig, wie sie zu bedienen ist. Wenn sie das Modell selbst gewählt haben, gibt es keinen Widerstand gegen diese Veränderung. Unternehmen können den Beratungsprozess auf unterschiedliche Weise durchführen: Manche machen formale, schriftliche Vorgaben; andere folgen einem eher informellen Ad-hoc-Prozess. Egal welches Verfahren letztendlich gewählt wird: es basiert auf Transparenz und Vertrauen.
Wer die Investition vorschlägt, übernimmt die Verantwortung für den Einkaufsprozess.
In selbstorganisierten Unternehmen sind die Mitarbeitenden für den gesamten Einkaufs- oder Investitionsprozess verantwortlich. Sie führen die Analysen durch, bestimmen die Anforderungen, besuchen die Lieferanten, führen die Verhandlungen und sichern bei Bedarf die Finanzierung durch die Bank. Das bedeutet nicht unbedingt, dass die Initiatorin alle Schritte selbst durchführen muss, aber sie übernimmt zumindest die Verantwortung von Anfang bis Ende.
Der Kollegenkreis hinterfragt Investitionsbudgets von Teams.
Vor allem in größeren Organisationen ist ein transparentes Basisbudget sehr hilfreich, damit die Teams überprüfen können, ob eine neue Investition finanziert werden kann und soll oder nicht. Anders als in Nicht-Teal-Organisationen werden die Investitionsbudgets nicht von höheren Managementebenen vorgegeben oder bestätigt. Sie werden auf der Grundlage realistischer Annahmen der Teams erstellt: Was muss während eines Planungszeitraums angeschafft werden? Wenn die Daten und Zahlen mit den erwarteten Einnahmen in Einklang stehen und vernünftig erscheinen, wird das Investitionsbudget festgelegt. Alle Investitionen, die in dieses Budget passen, müssen nicht weiter geprüft werden, solange der Beratungsprozess eingehalten wird. Unternehmen wie Morning Star führen jährlich intensive Budgetplanungen durch, bei denen jedes Team seine Investitionspläne einem Gremium aus dem Kollegenkreis zur Beratung vorstellt. Bei Teams, deren Leistung nicht so gut ist, wird vermutlich eher die Frage gestellt, ob Geldausgeben wirklich der beste Weg ist, ihre Probleme zu lösen.
Häufig gestellte Fragen
Bleibt da nicht Geld übrig, wenn der Einkauf nicht gebündelt wird? Wie so oft lautet die Antwort: Vertrauen Sie darauf, dass die Mitarbeitenden im Rahmen der Selbstorganisation die richtigen Entscheidungen treffen. Bei Artikeln mit sehr guten, nicht zu vernachlässigenden Mengenrabatten werden sich Kollegen, die beim gleichen Lieferanten einkaufen, für eine Koordination im Sinne einer Maximierung der Kaufkraft entscheiden. Bei Morning Star, einem tomatenverarbeitenden Unternehmen, stellten die Kollegen fest, dass viele Leute Schraubensicherung (einen Klebstoff, der verhindert, dass sich Schrauben und Muttern versehentlich lösen) in unterschiedlichen Ausführungen von verschiedenen Anbietern kauften. Dadurch gingen nicht nur Mengenrabatte verloren, sondern der unkoordinierte Einkauf verursachte auch unnötigen bürokratischen Aufwand, da die Vorschriften in der Lebensmittelindustrie von den Mitarbeitenden verlangten, jede Form von Schraubensicherung in einem Sicherheitsdatenblatt akribisch zu erfassen. Irgendwann schlug ein Mitarbeiter vor, dass er einmal im Quartal durch das Werk gehen und im Kollegenkreis fragen könnte, ob man über ihn Schraubensicherungskleber bestellen wollten. Eine ähnliche Lösung ergab sich für den Einkauf von Verpackungsmaterial, also in einem Bereich, in dem sich Mengenrabatte schnell summieren können. Wenn Koordination einen Wert hat, organisieren sich die Leute von alleine.
Oft ist es sinnvoll, beispielsweise Computer- oder Telefonanlagen vom selben oder von kompatiblen Herstellern zu kaufen. Auch hier kann man sich einfach auf den Beratungsprozess verlassen. Eine Sekretärin, die sich einen neuen Computer anschafft, wird – sofern sie sich nicht sehr gut mit Hardware- und Softwarespezifikationen auskennt – wahrscheinlich den Rat einer sachkundigen Person einholen, um sicherzustellen, dass der Computer problemlos zur übrigen IT-Ausstattung passt. In diesem Fall braucht es keine zentrale Abteilung zur Durchsetzung von Normen. In komplexeren Fällen, in denen Standards festgelegt werden müssen, wird jemand eine Gruppe einberufen, die sich mit der Angelegenheit befasst und die Standards festlegt.
Ab und an kann es vorkommen, dass eine Investition aus irgendeinem Grund nicht in das Budget passt. Sie mag aus einem plötzlichen Ereignis oder einer wertvollen Gelegenheit heraus entstehen. Wie bei orangen Organisationen sollten spontane Investitionen auch im Teal-Paradigma ihren Platz haben. Hier wird zur Abwicklung ebenfalls der Beratungsprozess durchlaufen. Wenn eine bestimmte Abteilung oder Gruppe eine höhere Mittelzuweisung benötigt, kann sie andere Gruppen um Unterstützung bitten, die möglicherweise bereit sind, einen Teil ihres Budgets zur Verfügung zu stellen. Anspruchsvolle Fragen sollten gestellt und beantwortet werden, aber letztendlich wird eine Entscheidung getroffen, die von der kollektiven Intelligenz der Teamvertretenden getragen wird.
Selbstorganisation
Selbstorganisation wirkt sich stark auf Beschaffung und Investitionen aus. Alle Mitarbeitenden werden in die Lage versetzt, in ihrem Arbeitsumfeld aktiv und innovativ zu sein. Investitionen werden dort initiiert, wo sie gebraucht werden. Der Beratungsprozess schafft ein tieferes Verständnis für die Auswirkungen von Investitionen. Die lokale Verantwortung für den Einkauf führt zu einer größeren Zufriedenheit mit der Anschaffung, da die Nutzer die Anforderungen definieren.
Ganzheitlichkeit
Um über Investitionen zu entscheiden, ist ein tief gehendes, umfassendes Verständnis über die Zusammenhänge und die Tragweite einer Entscheidung notwendig. Der Beratungsprozess schafft eine breite Transparenz über die Auswirkungen einer Investition. Besonders wenn es sich um einen größeren Geldbetrag handelt, ist es wichtig, die finanzielle Situation des Unternehmens und die Auswirkungen der Investition auf andere als Ganzes zu verstehen.
Evolutionärer Zweck
Ein wichtiges Kriterium für Investitionen ist, ob sie den evolutionären Zweck unterstützen. Durch verteilte Investitionsentscheidungen werden diejenigen, die den Zweck der Organisation erkennen, in die Lage versetzt, so zu handeln, dass sie diesem Zweck dienen können.
Konkrete Fälle als Inspiration
Die AES bietet ihren Mitarbeitern ein hohes Maß an Autonomie in ihrem Fachgebiet, was sie in die Lage versetzt, über Investitionen in Höhe von mehreren Millionen Dollar zu verhandeln. Interdisziplinäre freiwillige Arbeitsgruppen, die von einigen wenigen Mitarbeitern der Zentrale mit einschlägigem Fachwissen unterstützt werden, führen gemeinsam die Haushaltsplanung und -prüfung durch.
Wie ihre Kollegen bei FAVI und Sun Hydraulics waren auch die Teams bei AES für Entscheidungen im Zusammenhang mit allen Aspekten des Tagesgeschäfts verantwortlich, einschließlich investitionsbezogener Budgetierung, Einstellung, Schulung, Evaluierung, Vergütung, Investitionsausgaben und Einkauf sowie langfristiger Strategie und Wohltätigkeitsveranstaltungen. AES ist ein Energieversorger, der Wärme- und Wasserkraftwerke sowie Stromnetze betreibt. Diese Anlagen sind für das Leben vieler Menschen und Unternehmen absolut zentral. Ein Artikel des Reporters Alex Markels auf der Titelseite des Wall Street Journal veranschaulicht anhand einer Geschichte, wie weit die Teams von AES bei der Übernahme von Aufgaben gegangen sind, die normalerweise von der Zentrale erledigt werden:
MONTVILLE, Connor - Jeff Hatch, dessen Hände noch immer von der Kohle geschwärzt sind, die er gerade von einem Lastkahn abgeladen hat, nimmt den Hörer ab und ruft seinen Lieblingsmakler an. "Welchen Zinssatz können Sie mir für 10 Millionen Dollar mit einer Laufzeit von 30 Tagen geben?", fragt er den Makler, der mit Schatzwechseln handelt. "Nur 6,09? Aber ich habe gerade ein Angebot von Chase zu 6,13 bekommen." In einem anderen Raum arbeitet Joe Oddo an J.P. Morgan & Co. "6,15 in 30 Tagen?" bestätigt Herr Oddo, ein Wartungstechniker im Kraftwerk der AES Corp. hier. "Ich melde mich gleich wieder bei Ihnen." Als Mitglieder eines Ad-hoc-Teams, das einen 33-Millionen-Dollar-Investitionsfonds für Kraftwerke verwaltet, beraten sich die Herren Oddo und Hatch schnell mit ihren Mitarbeitern und schließen dann das Geschäft ab. ... Das klingt nach "Empowerment" auf Teufel komm raus. Den Mitarbeitern mehr Autonomie in ihrem Fachgebiet geben? Sicher. Die Bücher für die Einsicht der Mitarbeiter öffnen? Vielleicht. Aber was kann schon Gutes dabei herauskommen, wenn man die Aufgaben der Unternehmensfinanzierung Arbeitnehmern überträgt, deren kollektive Erfahrung mit der Kreditaufnahme sich auf eine Hypothek, zwei Autokredite und einige abbezahlte Kreditkartenschulden beläuft? Sehr viel Gutes, meint die AES. ... "Je mehr man die Verantwortung des Einzelnen stärkt, desto größer sind die Chancen für schrittweise Verbesserungen im Betrieb", argumentiert Dennis W. Bakke, der Geschäftsführer und einer der Gründer des Unternehmens. ... "Und was noch wichtiger ist", sagt er, "die Arbeit macht dadurch viel mehr Spaß." Ist es riskant, den Kohlehändlern die Verantwortung für Investitionen zu übertragen? Herr Bakke glaubt nicht. Er weist darauf hin, dass das Freiwilligenteam in Montville einen Finanzberater hat, und sie arbeiten innerhalb einer engen Bandbreite von Anlagemöglichkeiten. Sie kaufen nicht gerade Derivate. Was dem Vorstandsvorsitzenden an diesem Arrangement gefällt, ist, dass "sie durch diese Erfahrung zu anderen Menschen geworden sind. Sie haben so viel über den Gesamtaspekt des Geschäfts gelernt, dass sie nie wieder dieselben sein werden." [1]
Bei AES legte jedes Team einmal im Jahr sein Investitionsbudget fest. Die Budgets wurden auf Werksebene addiert und beliefen sich manchmal auf bis zu 300 Mio. USD pro Jahr. Wenn die Teams mit dem konsolidierten Budget für das Werk zufrieden waren, wurde es zusammen mit den Budgets aller anderen Werke von einer Budget-Taskforce überprüft, die mögliche Änderungen und Verbesserungen vorschlug (aber nicht befugt war, Änderungen durchzusetzen). Diese Task Force bestand aus einigen wenigen Mitarbeitern der Zentrale mit einschlägigem Fachwissen, überwiegend jedoch aus Mitarbeitern der lokalen Einheiten mit den unterschiedlichsten Hintergründen - ein Wachmann konnte neben einem Techniker und einem Ingenieur sitzen. Interne Audits wurden auf die gleiche Weise durchgeführt, nämlich von freiwilligen Task Forces: Jede Anlage wurde von Kollegen aus anderen Anlagen geprüft.
AES fand heraus, dass der Einsatz von freiwilligen Arbeitsgruppen anstelle von festen Personalfunktionen mehrere Vorteile hat. Die Mitarbeiter finden Möglichkeiten, ihre Talente und Begabungen zum Ausdruck zu bringen, die sie in ihrer primären Funktion vielleicht nicht brauchen. Sie entwickeln ein echtes Gefühl der Eigenverantwortung, wenn sie sehen, dass sie wirklich die Macht haben, ihr Unternehmen zu gestalten. Der Gründer Dennis Bakke betont noch einen weiteren Punkt: Diese Task Forces sind beeindruckende Lerneinrichtungen. Zu jedem beliebigen Zeitpunkt würden Tausende von Menschen in den Task Forces mitarbeiten und von erfahreneren Kollegen technische Fähigkeiten und Führungsqualitäten erlernen. Es handelt sich um eine moderne Form der Berufsausbildung, die ein riesiges Ausmaß annimmt. Keine Ausbildung im Klassenzimmer könnte jemals das Ausmaß des Lernens bieten, das tagtäglich in den freiwilligen Task Forces stattfand.[2]
Morning Star hat einen strengen Leistungsbewertungsprozess eingeführt, der einen Blick auf die Effektivität der Nutzung von Unternehmensressourcen und eine jährliche Präsentation der Investitionspläne vor einem Kollegengremium umfasst.
Bei Morning Star präsentieren die Teams jedes Jahr im Januar einer Gruppe von Kollegen und Chris Rufer (Gründer und Präsident) eine Selbsteinschätzung. Von den Teams wird erwartet, dass sie offen darüber sprechen, was im vergangenen Jahr gut gelaufen ist und was nicht, wie effektiv sie Unternehmensressourcen genutzt haben und was sie im nächsten Jahr zu tun gedenken. Das ist kein Spaziergang. Jede Präsentation dauert einige Stunden, und die Teams müssen mit herausfordernden, manchmal bohrenden Fragen ihrer Kolleginnen rechnen. Im Laufe eines Monats halten alle Teams solche Präsentationen. Teams, die nicht so gut abgeschnitten haben, erhalten viel Input und kennen ihre Hausaufgaben.[3]
RHD basiert auf selbstorganisierten Einheiten, die für alle ihre Aktivitäten verantwortlich sind – von der Festlegung einer Strategie über die Personalbeschaffung und den Einkauf bis hin zur Budgetierung und Ergebniskontrolle. Investitionsentscheidungen obliegen den Einheiten, die von Budgetmanagern mit Finanzexpertise beraten werden.
Jedes RHD Programm wird von einem selbstorganisierten Team geleitet, das im Schnitt aus 20 und maximal aus 40 bis 50 Personen besteht. Diese sogenannten Einheiten werden ermutigt, ihren Sinn für Zweck, Stolz und Identität zu schärfen. Innerhalb der Einheiten gibt es keine Stellenbeschreibungen. Die Einheiten sind für alle ihre Aktivitäten selbst verantwortlich – von der Festlegung einer Strategie bis zur Personaleinstellung und Beschaffung, von der Budgetierung bis zur Überwachung der Ergebnisse. Zentrale Stabsstellen sind auf ein Minimum beschränkt. Fachkräfte wie z.B. Budgetmanager, die die Teams in finanziellen Angelegenheiten unterstützen, oder Spezialisten für die klinische Überprüfung können die Teams beraten; die endgültige Entscheidung obliegt jedoch den Einheiten.[4]
FAVI hat eine Bottom-up-Planung eingeführt im Vertrauen darauf, dass die Teams realistische Budgetanträge selbst stellen können. Im Konfliktfall lösen Vertretende der einzelnen Teams die Probleme untereinander.
Einmal im Jahr legt jedes Team bei FAVI das Investitionsbudget für das nächste Jahr fest (neue Maschinen, Werkzeuge usw.). In den meisten Unternehmen stellt die Finanzabteilung diese Anträge in Frage. Letztlich entscheidet der Vorstand oder der CEO abteilungsübergreifend, ob mehr Geld in die eine oder andere Richtung fließen soll. Damit öffnen sich Tür und Tor für politische Spielchen. Jeder kämpft um ein größeres Stück des Kuchens. Für das mittlere Management ist die Höhe des Budgets oft ein Maßstab ihres Status. Sie versuchen so gut wie möglich, über alle ihnen zur Verfügung stehenden formellen und informellen Kanäle Einfluss auf die Entscheidungsträger in der Geschäftsleitung zu nehmen.
Bei FAVI gibt es kein mittleres Management, das sich um Budgets streitet, und der Vorstandsvorsitzende Jean-Francois Zobrist weigert sich, die Rolle des Vaters zu spielen, der entscheidet, wie er die Süßigkeiten unter seinen Kindern aufteilt. Die Teams wissen, dass es kein Feilschen geben wird, also nennen sie nicht von vorneherein überhöhte Zahlen, sondern stellen realistische Anträge auf der Grundlage realistischer Bedürfnisse. Wenn die Team-Budgets addiert werden, ergibt sich in den meisten Jahren ein vernünftiges Ergebnis, und alle Pläne erhalten grünes Licht, ohne dass es zu Diskussionen oder Nachfragen kommt. Den Teams wird vertraut, dass sie das Richtige tun. Wenn ein Team sich vergoldete Maschinen besorgte, würden die anderen Teams das schnell merken, und der Gruppendruck würde das Problem von selbst beseitigen. In den Jahren, in denen alle Projekte zusammen das vernünftige Maß überschreiten, bittet der CEO die Teams einfach, sich zusammenzusetzen und ihm einen überarbeiteten Plan vorzulegen. Team-Vertretende kommen zusammen und legen alle Pläne auf den Tisch. Sie sehen sich an, was am wichtigsten ist und was zurückgestellt werden könnte. In ein oder zwei Sitzungen ist das Problem stets geklärt.
Wie bei anderen Rollen auch, werden die traditionellen Aufgaben einer Führungskraft im Bereich Einkauf und Investitionen (Budgetierung, Planung, Kontrolle) auf verschiedene Mitglieder eines Teams verteilt. Ein Mitarbeitender bei FAVI könnte verschiedene Maschinen bedienen, für die Materialbestellung zuständig sein, eine Reihe von Maßnahmen zur kontinuierlichen Verbesserung leiten und für die Einstellung neuer Leute verantwortlich sein.[5]
Verwandte Themen
Anmerkungen und Referenzen
Übersetzt aus: Alex Markels, "Blank Check", The Wall Street Journal, 9. April 1998) ↩︎
Laloux, Frederic. Reinventing Organizations. Nelson Parker (2014), Seite 88 und folgende ↩︎
übersetzt aus: Laloux, Frederic. Reinventing Organizations. Nelson Parker (2014), S. 125 ↩︎
übersetzt aus: Laloux, Frederic. Reinventing Organizations. Nelson Parker (2014), S. 148ff. ↩︎
Übersetzt aus: Laloux, Frederic. Reinventing Organizations. Nelson Parker (2014), Seite 77ff. ↩︎