Stabsfunktionen

In diesem Abschnitt geht es um die Frage des Umgangs mit Stabsfunktionen in Teal-Organisationen.

Eine neue Perspektive

In den letzten Jahrzehnten hat die Anzahl an Stabsfunktionen vor allem in großen Organisationen zugenommen: Personalmanagement (HR), strategische Planung, Recht, Finanzen, interne Kommunikation, Risikomanagement, Innenrevision, Investor Relations, Aus- und Weiterbildung, öffentliche Angelegenheiten, Umweltmanagement, technische Dienste, Qualitätskontrolle, Wissensmanagement und so weiter.

Es wurden spezifische Rollen etabliert, um die Einrichtung und Einhaltung von Prozessen und Plänen der bernsteinfarbenen Organisationen zu unterstützen. Sie wurden ausgebaut, um die vom orangefarbenen Paradigma angestrebten Effizienzsteigerungen zu ermöglichen und den Wunsch nach Fachwissen und Verantwortlichkeit zu erfüllen. Während grüne Organisationen dazu neigen, den Schwerpunkt auf den Einsatz von Stabsfunktionen zur Unterstützung der Mitarbeitenden an vorderster Front zu legen (was ironischerweise oft zu einer Aufstockung der Belegschaft führt), kehrt sich der Trend der zunehmenden Nutzung von Stabsfunktionen erst im Teal-Paradigma um. Hier werden Aufgaben, die normalerweise von Unterstützungsfunktionen wahrgenommen werden, wann immer möglich von den Frontline-Teams selbst erledigt. Existierende Stabsfunktionen können ihre Vorgehensweisen oder Entscheidungen der Organisation nicht aufzwingen.

In der Praxis

In den meisten Organisationen erstellen zentralisierte Funktionen Regeln, Richtlinien und Prozesse, die andere befolgen müssen. Menschen in solchen Funktionen wollen tendenziell und oft mit den besten Absichten ihre Existenzberechtigung sichern, indem sie nach Wegen suchen, einen "Mehrwert" zu schaffen. So erarbeiten sie Regeln und Verfahren, bauen Fachwissen auf und finden neue Problemlösungen.

Letztlich führt dieser Prozess zu einer Konzentration von Macht und Entscheidungsbefugnis weg von der operativen Linie. Die Menschen dort fühlen sich vielfach entmachtet: Sie müssen Regeln befolgen, die prinzipiell sinnvoll sind, aber der Komplexität konkreter Situationen in der Praxis nicht gerecht werden.

Aus diesen Gründen beschränken Teal-Organisationen Stabsfunktionen auf ein Minimum. Sie wissen, dass sich aus diesen ergebende Größen- und Kompetenzvorteile häufig durch Motivationsnachteile aufgewogen werden. Infolgedessen arbeiten in Teal-Organisationen nur sehr wenige Menschen in Stabsfunktionen – und das in der Regel ohne Entscheidungsbefugnis. Sie können Richtlinien vorgeben, aber keine Regeln oder Entscheidungen durchsetzen.[1]

Bedarf an Fachwissen

In jeder Organisation besteht ein natürliches Spannungsverhältnis zwischen dem Bedarf an Fachwissen und dem Bedürfnis, Mitarbeitende an der Basis Entscheidungen treffen zu lassen. Wenn der Bedarf an Fachwissen entsteht, ist der erste Impuls in den meisten Organisationen, einen zentralen Experten-Pool einzurichten. Mit dem Risiko, dass sich im Laufe der Zeit zwei Kasten bilden: eine angesehene (oft hoch bezahlte) Expertentruppe und eine entmachtete, operativ arbeitende Mitarbeiterschar.

Teal-Organisationen hingegen ermöglichen die Entwicklung von Fachwissen in verteilter Form. Mit der Zeit bauen die Teammitglieder an der Front eine Menge Spezialwissen auf. Eine Maschinenbedienerin weiß alles über die Verwendung eines bestimmten Schmiermittels, ein Krankenpfleger kennt ein bestimmtes medizinisches Problem oder eine Ingenieurin weiß genau, wie man ein komplexes Finanzinstrument zur Berechnung der Rentabilität einer neuen Maschine erstellt. Teal-Organisationen legen keine Stabsrollen für diese Experten fest, sondern helfen den Teammitgliedern, Kolleginnen mit dem passenden Fachwissen zu finden. Von anderen um Rat gefragt zu werden, kann sehr motivierend sein. Spezielle Systeme für den Informationsaustausch sind weit verbreitet, z.B. interne soziale Netzwerke und Wissensplattformen.

Oft bilden sich freiwillige Arbeitsgruppen, um Spezialwissen zu kodifizieren und zu verbreiten (durch Wissensdatenbanken, Schulungen usw.).

Schließlich kann Fachwissen in bestimmten Bereichen (z.B. im Arbeitsrecht) von außen zugekauft werden. Statt eine Expertin fest einzustellen, werden bei Bedarf Freiberufler oder Beraterinnen eingesetzt.

Größenvorteile

Stabsfunktionen werden häufig mit der Begründung errichtet, dass sie Größenvorteile bringen. Diese Einsparungen lassen sich prinzipiell leicht abschätzen und bieten eine gute Rechtfertigungsgrundlage für die Zentralisierung bestimmter Aufgaben. Dabei werden jedoch Kosten durch Motivationsverluste und die Abkopplung von der Realität im operativen Bereich übersehen.

Teal-Organisationen streben Größenvorteile an, ohne Stäbe im herkömmlichen Sinne zu schaffen. Angenommen, verschiedene Teams in einem Werk oder in einer Reihe von Fabriken kaufen alle ein bestimmtes Material, und eine Bündelung ihrer Einkäufe wäre sinnvoll. Ein Team könnte einfach die Federführung für dieses Produkt übernehmen und die anderen in festgelegtem Rhythmus um ihre Bestellungen bitten. Auf diese Weise übernehmen verschiedene Teams bestimmte Aufgaben dezentral für andere Teams.

In anderen Fällen kann es sinnvoll sein, dass Mitarbeitende eine Rolle schaffen, die bestimmte Funktionen übernimmt. In manchen Ländern beispielsweise ist die Lohn- und Gehaltsabrechnung aufgrund der arbeitsrechtlichen Vorschriften sehr aufwändig. Die Teams könnten beschließen, die Abrechnung an eine von ihnen eingerichtete zentrale Rolle zu delegieren. Im Teal-Paradigma arbeitet diese jedoch im Namen der Teams und kann keine Entscheidungen von oben nach unten durchdrücken. Ein Team an der Front kann auch beschließen, zentrale Unterstützungsdienste nicht in Anspruch zu nehmen.

Festlegung von Standards

In vielen Fällen ist es sinnvoll, gemeinsame Standards für die gesamte Organisation festzulegen wie etwa im Personalwesen (z.B. Sicherstellung der Gleichbehandlung unabhängig von der Teamzugehörigkeit), im Marketing (z.B. Verwendung gemeinsamer Vorlagen und Designelemente), im Bereich Finanzen (z.B. Vergleichbarkeit der Zahlen) oder in der IT (z.B. Anschaffung kompatibler Geräte). In traditionellen Organisationen werden Regeln, Richtlinien und Verfahrensweisen von zentralen Funktionen erlassen, die dann auch für deren Einhaltung sorgen.

Im Teal-Paradigma werden solche Standards einfach von einer Person beschlossen, die die Führung übernimmt und den Beratungsprozess nutzt. Alternativ können Mitarbeitende mit ähnlichen Aufgaben (z.B. Onboarding neuer Kollegen) in verschiedenen Abteilungen eine freiwillige Arbeitsgruppe bilden und gemeinsam Standards und Richtlinien ausarbeiten. Als AES, ein großer Energieversorger, nach den Grundsätzen der Selbstorganisation arbeitete, wandte man die 80/20-Regel an: Von allen Mitarbeitenden wurde erwartet, dass sie 20 % ihrer Zeit in freiwilligen Arbeitsgruppen oder zeitlich begrenzten Projekten verbrachten und 80 % mit ihren Hauptaufgaben.

Häufig gestellte Fragen

In einigen Branchen sind die Risiken bei Nichtbeachtung bestimmter Verfahren besonders hoch. Die Aufsichtsbehörden können sogar so weit gehen, dass sie von einer Person verlangen, im Namen des Unternehmens zu unterschreiben. Dies ist in der Regel eine Führungskraft der sogenannten "C-Suite": CFO für die Buchhaltung, Chief Risk Officer für risikorelevante Themen usw. Da diese Führungskraft persönliche Konsequenzen für die Nichteinhaltung der Vorschriften durch die Organisation riskiert (einschließlich rechtlicher Schritte durch externe Aufsichtsbehörden), möchte sie sich natürlich selbst vor Risiken schützen, indem sie strenge Regeln vorschreibt und deren Einhaltung durchsetzt. Wie können selbstorganisierte Unternehmen dieses Problem angehen?

Eine Möglichkeit ist der Einsatz freiwilliger Arbeitsgruppen. Eine Risiko-Taskforce beispielsweise aus Personen, die in ihren jeweiligen Abteilungen mit Risiken zu tun haben, könnte gemeinsam über Standards und Richtlinien entscheiden, um Risikominimierung gemäß den Anforderungen der Aufsichtsbehörde zu gewährleisten. Bei der Frage, wer im Namen der Organisation unterzeichnet (oder als Schnittstelle zur Aufsichtsbehörde fungiert), könnten sich die Gruppenmitglieder im Jahresturnus abwechseln. Die Gruppe kann auch beschließen, Cross-Audits zu organisieren, bei denen ein Mitglied einer Einheit eine andere Einheit prüft. Organisationen wie AES, die diese Methode angewandt haben, berichten, dass es dadurch mehr und nicht weniger Kontrolle gibt. Freiwillige Arbeitsgruppen wissen viel besser als ein weit entfernter Stab in der Zentrale, wo die Risiken liegen, welche Richtlinien angemessen sind und worauf bei gegenseitigen Prüfungen zu achten ist. Zudem schaffen sie ein Gefühl der Solidarität und Verantwortung. Wenn eine Einheit versagt, ist es "einer von uns", der die aufsichtsbehördlichen Konsequenzen zu tragen hat. Vergleichen Sie dies mit traditionellen Stabsfunktionen, wo der Leiter der Risikoabteilung in der Zentrale Regeln erlässt, die in der Praxis nur schwer anzuwenden sind und gerne umgangen werden.

Das Beispiel von AES (siehe unten) mit Tätigkeit auf den stark regulierten Strommärkten ist zumindest ein Hinweis darauf, dass dies auch in selbstorganisierten Strukturen bewältigt werden kann.

Selbstorganisation

Zentrale Funktionen, wie sie heute in vielen großen Organisationen eingesetzt werden, konzentrieren die Macht weg von ihren operativen Kollegen. Die Abschaffung oder drastische Verringerung ihres Einflusses verleiht dem Rest der Organisation Autonomie und ist ein Schlüsselelement des Teal-Selbstmanagements.

Ganzheitlichkeit

In vielen Organisationen basiert die Beziehung zwischen zentralen Stäben und den Mitarbeitenden in den operativen Einheiten auf Misstrauen: Ohne die Kontrolle durch zentrale Funktionen kann man sich nicht darauf verlassen, dass die operativen Einheiten im Sinne der Organisation als Ganzes handeln. Im Teal-Paradigma wird darauf vertraut, dass Mitarbeitende die Bedürfnisse der gesamten Organisation berücksichtigen und zugleich ihren Leidenschaften und Interessen nachgehen können.

Evolutionärer Zweck

Zentrale Funktionen machen Organisationen tendenziell statischer und verhindern, dass sich Innovationen auch in Randbereichen frei entwickeln können. Dadurch wiederum verlangsamt sich die Entfaltung des Organisationszwecks. Ein dezentralisierter Umgang mit dem Bedarf an Fachwissen, Größenvorteilen und gemeinsamen Standards erhöht die Agilität einer Organisation und damit ihr Potenzial, ihren evolutionären Zweck zu verfolgen.

Konkrete Fälle als Inspiration

In einer stark regulierten Branche leistete die AES Pionierarbeit mit dem Einsatz von freiwilligen 80/20-Taskforces zur Bewältigung typischer Personalaufgaben.

AES mit seinen 40.000 Mitarbeitenden arbeitete in der Zeit, in der Teal eingesetzt wurde, in selbstverwalteten Teams von 15 bis 20 Personen. In der Überzeugung, dass schlechte Dinge passieren, wenn ein Standort zu groß wird, versuchte AES auch, die Zahl der Mitarbeiter in einem Standort auf maximal 300 bis 400 zu begrenzen (15 bis 20 Teams mit 15 bis 20 Mitarbeitern) - die natürliche Grenze, die sie für die Kollegen sahen, um mehr oder weniger Namen und Gesichter zuzuordnen und mit jedem Kollegen ein zwangloses Gespräch zu führen.

Die Teams bei AES waren für Entscheidungen in Bezug auf alle Aspekte des Tagesgeschäfts verantwortlich: Budgets, Arbeitsbelastung, Sicherheit, Zeitpläne, Wartung, Einstellung und Entlassung, Arbeitszeiten, Schulungen, Beurteilungen, Vergütung, Investitionen, Einkauf und Qualitätskontrolle sowie langfristige Strategie, Wohltätigkeitsspenden und Beziehungen zur Gemeinde.

Dies ist recht bemerkenswert: AES ist ein Energieversorger, der Wärme- und Wasserkraftwerke sowie Stromnetze betreibt. Diese Anlagen sind für das Leben vieler Menschen und Unternehmen absolut zentral. Betriebsprobleme können zu katastrophalen Stromausfällen und Unfällen führen, bei denen viele Menschen ums Leben kommen. Und doch werden Millionen von Kunden in der ganzen Welt mit Energie versorgt, die von selbstverwalteten Teams erzeugt wird, die für so wichtige Fragen wie Sicherheit und Wartung verantwortlich sind.

Mit 40.000 Mitarbeitern, die über verschiedene Kontinente verstreut waren, hatte AES nur etwa 100 Mitarbeiter in der Zentrale in Arlington - kaum eine Zahl, die den Anspruch erheben konnte, zu kontrollieren, was in weit entfernten Orten wie Kamerun, Kolumbien oder der Tschechischen Republik geschah.

Und doch hat es funktioniert. Ein Artikel auf der Titelseite des Wall Street Journal veranschaulicht anhand einer Geschichte, wie weit die Teams bei AES gingen, wenn es darum ging, Aufgaben zu übernehmen, die normalerweise von der Zentrale erledigt werden:

MONTVILLE, Connor - Jeff Hatch, dessen Hände noch immer von der Kohle geschwärzt sind, die er gerade von einem Lastkahn abgeladen hat, nimmt den Hörer ab und ruft seinen Lieblingsmakler an. "Welchen Zinssatz können Sie mir für 10 Millionen Dollar mit einer Laufzeit von 30 Tagen geben?", fragt er den Makler, der mit Schatzwechseln handelt. "Nur 6,09? Aber ich habe gerade ein Angebot von Chase zu 6,13 bekommen." In einem anderen Raum arbeitet Joe Oddo an J.P. Morgan & Co. "6,15 in 30 Tagen?" bestätigt Herr Oddo, ein Wartungstechniker im Kraftwerk der AES Corp. hier. "Ich melde mich gleich wieder bei Ihnen." Als Mitglieder eines Ad-hoc-Teams, das einen 33-Millionen-Dollar-Investitionsfonds für Kraftwerke verwaltet, beraten sich die Herren Oddo und Hatch schnell mit ihren Mitarbeitern und schließen dann das Geschäft ab. ...

Das klingt nach "Empowerment" auf Teufel komm raus. Den Arbeitnehmern mehr Autonomie in ihrem Fachgebiet geben? Sicher. Die Bücher für die Einsicht der Mitarbeiter öffnen? Vielleicht. Aber was kann schon Gutes dabei herauskommen, wenn man die Aufgaben der Unternehmensfinanzen an Mitarbeiter überträgt, deren kollektive Erfahrung mit der Kreditaufnahme sich auf eine Hypothek, zwei Autokredite und einige abbezahlte Kreditkartenschulden beläuft? Sehr viel Gutes, meint die AES. ... "Je mehr man die Verantwortung des Einzelnen stärkt, desto größer sind die Chancen für schrittweise Verbesserungen im Betrieb", argumentiert Dennis W. Bakke, der Geschäftsführer und einer der Gründer des Unternehmens. ... "Und was noch wichtiger ist", sagt er, "so macht die Arbeit viel mehr Spaß."

Ist es riskant, den Kohlehändlern die Verantwortung für Investitionen zu übertragen? Herr Bakke glaubt nicht. Er weist darauf hin, dass das Freiwilligenteam in Montville einen Finanzberater hat, und sie arbeiten innerhalb einer engen Bandbreite von Anlagemöglichkeiten. Sie kaufen nicht gerade Derivate. Was dem Vorstandsvorsitzenden an diesem Arrangement gefällt, ist, dass "sie durch diese Erfahrung zu anderen Menschen geworden sind. Sie haben so viel über den Gesamtaspekt des Geschäfts gelernt, dass sie nie wieder dieselben sein werden".

Mit nur etwa 100 Mitarbeitern in der Zentrale in Arlington, Virginia, hatte AES keine zentralen Abteilungen für Wartung oder Sicherheit, keinen Einkauf, keine Personalabteilung und keine interne Rechnungsprüfung. Wenn in einem kleineren Unternehmen in einem dieser Bereiche ein Problem auftritt, kann man einfach eine Besprechung einberufen oder eine bestimmte Koordinierungsaufgabe an einen Kollegen delegieren. Bei AES mit 40.000 Mitarbeitern, die über den ganzen Globus verstreut sind, war das nicht mehr möglich. Das Unternehmen entwickelte die "80-20-Regel": Von jedem Mitarbeiter, vom Reinigungspersonal bis zum Ingenieur, wurde erwartet, dass er durchschnittlich 80 Prozent seiner Zeit mit seiner Hauptaufgabe verbringt und sich für die anderen 20 Prozent in einer oder mehreren der vielen Arbeitsgruppen zur Verfügung stellt, die es im Unternehmen gibt.

Nehmen wir die Budgetierung von Investitionen, die normalerweise das Vorrecht des Finanzpersonals in der Zentrale ist. Bei AES fand alles vor Ort statt; jedes Team stellte einmal im Jahr sein Investitionsbudget auf. Die Investitionsbudgets wurden auf Werksebene addiert und beliefen sich manchmal auf bis zu 300 Millionen Dollar im Jahr. Wenn die Teams mit dem konsolidierten Budget für das Werk zufrieden waren, wurde es zusammen mit den Budgets aller anderen Werke von einer Budget-Taskforce überprüft, die mögliche Änderungen und Verbesserungen vorschlug (aber keine Befugnis hatte, Änderungen durchzusetzen). Diese Task Force bestand aus einigen wenigen Mitarbeitern der Zentrale mit einschlägigem Fachwissen, überwiegend jedoch aus Mitarbeitern der lokalen Einheiten mit den unterschiedlichsten Hintergründen - ein Wachmann konnte neben einem Techniker und einem Ingenieur sitzen.

Interne Audits wurden auf dieselbe Art und Weise durchgeführt, nämlich durch freiwillige Task Forces: Jeder Betrieb wurde von Kollegen aus anderen Betrieben auditiert. Es wurden Arbeitsgruppen für so unterschiedliche Themen wie Vergütung, gemeinnützige Arbeit, Umweltarbeit und Unternehmenswerte eingerichtet.

Die AES hat herausgefunden, dass der Einsatz von freiwilligen Arbeitsgruppen anstelle von festen Personalfunktionen mehrere Vorteile hat. Die Mitarbeiter finden Möglichkeiten, ihre Talente und Begabungen zum Ausdruck zu bringen, die sie in ihrer primären Funktion vielleicht nicht brauchen. Sie entwickeln ein echtes Gefühl der Eigenverantwortung, wenn sie sehen, dass sie wirklich die Macht haben, ihr Unternehmen zu gestalten. Dennis Bakke weist auf einen weiteren Punkt hin: Diese Task Forces sind hervorragende Lerneinrichtungen. Zu jedem beliebigen Zeitpunkt würden Tausende von Menschen in Task Forces mitarbeiten und von erfahreneren Kollegen Fach- und Führungskompetenzen erlernen. Es handelt sich um eine moderne Form der Berufsausbildung, die ein riesiges Ausmaß annimmt. Keine Ausbildung im Klassenzimmer könnte jemals das Ausmaß des Lernens erreichen, das tagtäglich in den freiwilligen Task Forces stattfand.[2].

Fitzii hat keine speziellen Stabsfunktionen. Einzelpersonen aus den Funktionsteams stellen sich freiwillig zur Verfügung, um je nach Bedarf verschiedene Stabsfunktionen zu übernehmen.

Fitzii ist nach funktionalen Gesichtspunkten in drei Teams organisiert: Produkt und Entwicklung, Vertrieb und Marketing, Einstellungserfolg. Jeder ist – je nach Hauptaufgabe – Mitglied eines dieser Teams.

Zudem engagieren sich Fitzii-Teammitglieder freiwillig als Steward für verschiedene Stäbe wie Finanzen, Einkauf und Personalwesen. Man sammelt so Fachwissen und treibt Entscheidungen, Maßnahmen und Projekte voran. Die Zuweisungen erfolgen gemäß individuellen Interessen und allgemeinen Bedürfnissen des Teams.

Ein praktisches Beispiel: Als Fitzii einen Peer-basierten 360-Grad-Feedback-Prozess entwickelte, waren verschiedene Teammitglieder an einer Mitarbeit interessiert. Anfänglich verzögerte sich die Entwicklung des neuen Feedbackprozesses, da niemand eindeutig dafür verantwortlich war, ihn voranzutreiben. Als das Team dies bemerkte, übernahm ein Mitarbeiter aus dem Produkt- und Entwicklungsteam die Rolle des Stewards. Er holte Ratschläge und Meinungen von anderen interessierten Mitarbeitenden ein, schlug daraufhin einen Prozess vor und übernahm die praktische Umsetzung. In diesem Sinne geht es bei der Rolle weniger um Autorität über eine bestimmte Stabsfunktion als vielmehr um die Erfüllung der praktischen Bedürfnisse des Teams.

Darüber hinaus hat das Team regelmäßig Zugang zu Fachleuten der Muttergesellschaft, der Ian Martin Group, sowie zu externen Experten (z.B. Rechtsberater).

Buurtzorg verfügt nur über ein Minimum an zentralem Personal und hat Mechanismen eingerichtet, um sein dezentrales Fachwissen zu nutzen.

Buurtzorg hat 9.000 Beschäftigte, mit einer Zentrale von nur 40. Es gibt keine typischen Mitarbeiterrollen (kein CFO, Personalleiter usw.). Die meisten Mitarbeiter der Zentrale sind mit administrativen Aufgaben betraut (z. B. Verwaltung der Sozialversicherung).

Wie ist es möglich, eine Organisation mit 9.000 Mitarbeitern mit einer so spärlichen Zentrale zu führen? Viele der typischen Personalaufgaben werden einfach an die Teams zurückverlagert. Ein Beispiel ist die Rekrutierung: Wenn ein Team das Bedürfnis verspürt, sich zu vergrößern, stellt es sich selbst ein (der Regionalcoach kann auf Anfrage Ratschläge geben, ist aber nicht an der Entscheidung beteiligt). Die Chancen stehen gut, dass das Team jemanden kooptiert, der gut zu ihm passt. Da die Teammitglieder die Entscheidung selbst treffen, sind sie emotional daran interessiert, dass die neue Person erfolgreich ist.

Wie sieht es mit Fachwissen aus? Bei Buurtzorg ist es nicht sinnvoll, dass jedes der rund 600 Buurtzorg-Teams Fachwissen über jede obskure medizinische Erkrankung entwickelt, die ihnen begegnen könnte. Anstatt jedoch neue Mitarbeiterrollen zu schaffen, hat Buurtzorg eine Reihe von effektiven Alternativen entwickelt, um den Bedarf an medizinischem und nicht-medizinischem Fachwissen zu decken:

  • Die Krankenschwestern und Krankenpfleger in den Teams werden ermutigt, ihr Fachwissen zu erweitern und zu Ansprechpartnern außerhalb ihres Teams zu werden. Über das Intranet von Buurtzorg können die Krankenschwestern und -pfleger leicht Kollegen mit einschlägigem Fachwissen in einem bestimmten Themenbereich ermitteln und erreichen.
  • Gelegentlich werden freiwillige Arbeitsgruppen von Krankenschwestern und -pflegern gebildet, die zusätzlich zu ihrer Arbeit mit den Patienten ein neues Thema untersuchen und Fachwissen aufbauen (z. B. wie Buurtzorg sich an neue Gesetze anpassen sollte).
  • Bei Bedarf kann ein Experte als Berater eingestellt werden, anstatt ihn in die Rolle eines Mitarbeiters zu versetzen.
  • Wenn ein Mitarbeiter eingestellt wird, hat er keine Entscheidungsbefugnis gegenüber den Teams.

In einer Sitzung der Regionaltrainer von Buurtzorg wurde beispielsweise vorgeschlagen, einen Spezialisten für Arbeitsrecht einzustellen, ein Thema, bei dem viele Teams gelegentlich Unterstützung benötigen. Die Anregung war sinnvoll. Nach näherer Betrachtung stellte sich heraus, dass die meisten Fragen wiederkehrend waren, und so beschloss die Gruppe, im Intranet von Buurtzorg einen Selbsthilfebereich mit "häufig gestellten Fragen zum Arbeitsrecht" einzurichten. Damit waren die meisten Fragen geklärt, aber ein Jahr später stellte die Gruppe fest, dass immer noch einige Fragen auftauchten, auf die die FAQ keine Antwort boten. Es wurde beschlossen, für einige Tage im Monat einen freiberuflichen Experten zu beauftragen, der auf Anfrage Fragen der Teams beantworten sollte.[3]

Bei FAVI wurden fast alle Stabsfunktionen als solche aufgelöst und in die „Minifabriken“ integriert.

Im Werk von FAVI sind mehr als 500 Mitarbeitende tätig, die in 21 Teams, den so genannten „Minifabriken" mit jeweils 15 bis 35 Leuten, organisiert sind. Die meisten Teams sind einem bestimmten Kunden oder Kundentypus zugeordnet (Volkswagen-, Audi-, Volvo-Team usw.). Es gibt einige vorgelagerte Produktionsteams (Gießerei, Formenreparatur, Wartung) und Unterstützungsteams (Technik, Qualität, Labor, Verwaltung, Vertriebssupport). Jedes Team organisiert sich selbst. Es gibt kein mittleres Management und praktisch keine Regeln oder Verfahrensvorschriften außer denen, die die Teams selbst festlegen.

Die Stabsfunktionen sind fast alle verschwunden. Die früheren Abteilungen für Personalwesen, Planung, Disposition, Technik, Produktion, IT und Einkauf wurden alle aufgelöst. Ihre Aufgaben wurden von den Teams übernommen, die selbst einstellen, einkaufen, planen und terminieren.

Wenn sich Möglichkeiten ergeben, die die Grenzen mehrerer Teams überschreiten, gründen die FAVI-Mitarbeitenden selbst ein Projektteam. Manchmal wird eine Person mit der Aufgabe betraut, die teamübergreifende Koordination zu übernehmen, aber sie hat keine Entscheidungsbefugnis. Da ist zum Beispiel Denis, ein Ingenieur, dessen Aufgabe darin besteht, den Teams beim Austausch von Erkenntnissen und bewährten Verfahrensweisen zu helfen. Er verbringt seine Zeit damit, Maschinenbediener zu ermutigen, sich anzusehen, was andere Teams entwickelt haben. Er kann ein Team nicht dazu zwingen, die Ideen eines anderen Teams zu übernehmen. Er muss Interesse wecken und begeistern. Wenn ihm das nicht gelingt und die Teams in seiner Arbeit keinen Mehrwert sehen, dann verschwindet seine Rolle natürlich, und Denis muss sich eine neue Aufgabe suchen. Er hat im wahrsten Sinne des Wortes eine unterstützende Funktion. Dies ist im Produktionsumfeld höchst ungewöhnlich - ein Ingenieur, der im Dienst weniger hoch gebildeter aber qualifizierter Arbeiter steht, ihnen jedoch nicht vorgesetzt ist.[4]

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    Anmerkungen und Referenzen


    1. Übersetzt aus: Laloux, Frederic (2014-02-09). Reinventing Organizations: A Guide to Creating Organizations Inspired by the Next Stage of Human Consciousness (Kindle Locations 1630-1636). Nelson Parker. Kindle Edition. ↩︎

    2. Übersetzt aus: Alex Markels, "Blank Check", The Wall Street Journal, 9. April 1998 ↩︎

    3. Übersetzt aus Laloux, Frederic. Reinventing Organizations. Nelson Parker, Brüssel, Belgien (2014) ↩︎

    4. Übersetzt aus: Laloux, Frederic. Reinventing Organizations. Nelson Parker, Brüssel, Belgien (2014) ↩︎