Rotes Paradigma und Organsationen
Rote Organisationen entstehen auf einer Stufe des Bewusstseins, auf der die Welt schlicht und ergreifend durch die Brille der Macht gesehen wird. Diese Macht üben „Häuptlinge" regelmäßig aus, um das „Fußvolk“ bei der Stange zu halten. Furcht und Unvorhersehbarkeit halten rote Organisationen zusammen. Sie neigen dazu, sehr reaktiv und kurzfristig orientiert zu sein. Dadurch gedeihen sie gut in chaotischen Umgebungen. Wolfsrudel sind eine passende Metapher für rote Organisationen.
Rote Stufe des Bewusstseins
Historisch betrachtet scheint die „rote Bewusstseinsstufe“ vor etwa 10.000 Jahren entstanden zu sein und die ersten Stammesfürstentümer und Ur-Reiche hervorgebracht zu haben. Zu dieser Zeit bildeten sich auch erste Organisationsformen.
Menschen haben ein starkes Bewusstsein ihrer selbst und sehen sich völlig separat von anderen und von der Welt. Diese Erkenntnis ist beängstigend und der Tod real. Wenn ich nur ein kleiner Teil bin, getrennt vom Ganzen, könnte ich leiden oder sterben. Die Welt wird als gefährlicher Ort wahrgenommen, an dem die Erfüllung der eigenen Bedürfnisse davon abhängt, dass man stark und zäh ist. Die Währung der Welt ist Macht. Wenn ich mächtiger bin als du, kann ich verlangen, dass meine Bedürfnisse befriedigt werden. Wenn du mächtiger bist als ich, werde ich mich unterwerfen in der Hoffnung, dass du dich um mich kümmerst. Das emotionale Spektrum ist eher einfach gestrickt, und Menschen drücken ihre Bedürfnisse vor allem durch Wutanfälle und Gewalt aus. Selbst wenn sich Führungspersönlichkeiten der Gefühle anderer Menschen bewusst sind, so sind diese nicht wichtig. Die Orientierung ist meistens auf die Gegenwart ausgerichtet (ich will es, und zwar jetzt), aber diese Impulsivität kann sich durch einfache Macht-, Manipulations- oder Unterwerfungsstrategien in die Zukunft ausdehnen. Einfache kausale Beziehungen wie Belohnungen und Bestrafungen werden verstanden. Das Denken ist von polaren Gegensätzen geprägt, was zu einer schwarz-weißen Weltsicht führt (z.B. stark/schwach, mein Weg/dein Weg).
Rollendifferenzierung ist machbar oder - anders ausgedrückt - es gibt eine sinnvolle Arbeitsteilung. Auf der einen Seite der Häuptling, auf der anderen die Soldaten. Sklaverei entsteht in großem Umfang, da nun einzelne Aufgaben an Feinde benachbarter Stämme vergeben werden können, die besiegt und gefangen genommen wurden. Historisch gesehen hat dies zu Stammesfürstentümern mit einer Herrschaft über Hunderte oder sogar Tausende von Menschen geführt. Rote Funktionsweisen finden sich auch heute noch bei Erwachsenen in vielen Stammesgesellschaften der Welt und in unterprivilegierten Gebieten inmitten entwickelter Gesellschaften. Jedes Paradigma hat einen Kontext, in den es am besten passt. So eignet sich das rote Paradigma hervorragend für feindliche Umgebungen: Kampfgebiete, Bürgerkriege, gescheiterte Staaten, Gefängnisse oder gewalttätige Stadtviertel.
Merkmale roter Organisationen
Vom „roten Bewusstsein“ geprägte Organisationen traten zuerst in Form kleiner, erobernder Armeen auf, als die mächtigeren Stammesfürstentümer zu Ur-Imperien heranwuchsen. Sie sind auch heute noch in Form von Straßenbanden und Mafias zu finden. Die heutigen roten Organisationen übernehmen Werkzeuge und Ideen aus der Moderne. Man denke nur an den Einsatz von Waffen und Informationstechnologie durch das organisierte Verbrechen. Aber ihre Strukturen und Praktiken basieren größtenteils immer noch auf dem roten Paradigma.
Ihr "Klebstoff" ist die kontinuierliche Ausübung von Macht in zwischenmenschlichen Beziehungen. Wolfsrudel sind eine gute Metapher: Ähnlich wie der Leitwolf bei Bedarf Macht ausübt, um seinen Status innerhalb des Rudels zu sichern, muss das Oberhaupt einer roten Organisation überwältigende Macht demonstrieren und andere seinem Willen unterwerfen, um seine Position zu halten. Sobald diese Macht in Frage gestellt wird, wagt jemand anderes den Umsturz. Um ein gewisses Maß an Stabilität zu gewährleisten, umgibt sich die Anführerin mit in der Regel loyaleren Familienmitgliedern und erkauft sich deren Treue durch Teilung der Beute. Jedes Mitglied der engen Garde kümmert sich wiederum um die eigenen Leute und hält sie bei der Stange. Es gibt keine formale Hierarchie oder Titel. Aus diesen Gründen lassen sich rote Organisationen kaum skalieren. Sie schaffen es selten, Leute in der Reihe zu halten, die mehr als drei oder vier Grade vom Oberhaupt entfernt sind. Rote Organisationen können zwar extrem mächtig sein (vor allem in feindseligen Umgebungen, in denen nachfolgende Organisationsformen zusammenbrechen würden), sie sind jedoch an sich fragil aufgrund des impulsiven Wesens der Menschen (ich will es, also nehme ich es). Das Oberhaupt muss regelmäßig öffentlich bestrafen und Grausamkeit demonstrieren, da nur Angst und Unterwerfung die Organisation vor dem Zerfall bewahren. Mythische Geschichten über seine absolute Macht halten das Fußvolk davon ab, nach Höherem zu streben.
Aufgrund ihrer Gegenwartsbezogenheit sind rote Organisationen kaum in der Lage, zu planen und Strategien zu entwickeln; sie reagieren jedoch sehr schnell auf neue Bedrohungen und Chancen, die sie rücksichtslos verfolgen. Sie eignen sich daher gut für chaotische Umgebungen (Bürgerkriege oder gescheiterte Staaten), können jedoch in stabilen Umgebungen, wo Planung und Strategie möglich sind, kaum komplexe Ergebnisse erzielen.