Rekrutierung
Das Thema der Rekrutierung beschreibt die Prozesse, mittels derer externe Kandidaten für die Organisation rekrutiert werden, einschließlich der Frage, wer einstellt und wie der Interviewprozess durchgeführt wird.
Eine neue Perspektive
Jede geschichtliche Etappe hat eine andere Sichtweise auf die Einstellung von Personal und sehr unterschiedliche Praktiken hervorgebracht.
Rote Organisationen
In roten Organisationen ist Loyalität wesentlich. Der Chef umgibt sich mit Familienmitgliedern oder anderen Personen, denen er vertrauen kann oder die er durch Furcht und das Versprechen, sich um sie zu kümmern, unter Kontrolle halten kann. Die Rekrutierung läuft auf Kooptation hinaus und es gibt oft ritualisierte Beitrittspraktiken, bei denen der neue Mitarbeiter dem Chef die Treue verspricht, der im Gegenzug Schutz bietet.
Bernstein-Organisationen
Die Grundlage für die Rekrutierung in bernsteinfarbenen Organisationen bildet die soziale Schichtung. Um sich auf eine Stelle zu bewerben, müssen die Bewerber einen bestimmten Hintergrund aufweisen. Historisch gesehen entsprach diese hierarchische Schichtung in Organisationen der sozialen Schichtung: Priester wurden aus der Bauernschaft rekrutiert, Bischöfe und Kardinäle aus der Aristokratie. Ein Mann (und erst recht eine Frau), der aus der Arbeiterklasse stammt, würde keine Führungsposition anstreben und wenn er einmal in der Organisation ist, würde er nicht hoch aufsteigen. Heutige Bernstein-Organisationen neigen immer noch dazu, sich an die soziale Schichtung zu halten, wenn auch auf subtilere Weise. In Regierungsbehörden, Schulen und beim Militär wird für Positionen ab einer bestimmten Ebene oft immer noch ein bestimmter Abschluss oder eine bestimmte Anzahl von Jahren an Erfahrung verlangt. Die Person, die eingestellt wird, ist vielleicht nicht die am besten qualifizierte, aber diejenige, die alle Kriterien erfüllt.
Orange Organisationen
Das Streben der orangenen Organisationen nach Leistung, Effizienz und Innovation veranlasst sie, ihre Einstellungsbemühungen auf die Auswahl der Kandidaten mit den besten Fähigkeiten, der relevantesten Erfahrung und dem besten Fachwissen für eine bestimmte Rolle sowie dem besten zukünftigen Entwicklungspotenzial zu konzentrieren. In einigen großen Unternehmen werden die Vorstellungsgespräche von spezialisierten Mitarbeitern der Personalabteilung geführt (für Spitzenpositionen von externen Headhunter-Firmen); in den meisten Fällen in Zusammenarbeit mit dem künftigen Vorgesetzten der betreffenden Person. Es wurden beträchtliche Anstrengungen und Ressourcen für die Entwicklung von Interviewtechniken und Schulungen sowie von Beurteilungsinstrumenten aufgewendet, um den Organisationen zu helfen, ihre Erfolgsquote bei der Personalbeschaffung zu optimieren.
Grüne Organisationen
In grünen Organisationen geht es bei der Einstellung um die gemeinsame Kultur ebenso wie um die spezifischen Fähigkeiten der Kandidatin. Kandidaten für Führungspositionen werden streng auf ihre Denkweise, ihr Verhalten und ihre Werte geprüft: Sind sie bereit, ihre Untergebenen zu stärken und ein Coach anstelle eines Entscheidungsträgers von oben herab zu sein? Werden sie mit Bescheidenheit führen? Durch die Konzentration auf die Kultur kommt den Personalressourcen eine zentrale Rolle zuteil.
Teal-Organisationen
Die Rekrutierung wird in Teal-Organisationen von dem Team geleitet, das ein neues Mitglied braucht; nicht von der Personalabteilung (häufig gibt es keine Personalabteilung). Die Gespräche mit den Bewerberinnen drehen sich in der Regel um drei Themen: Eignung für die Aufgabe, Passung zur Organisation und ihrem Sinn. Die letzten beiden Punkte werden oft als wichtiger angesehen, da in selbstführenden Organisationen die Rollen häufig wechseln. Häufig wird eine Testphase vereinbart, damit beide Parteien ehrlich einschätzen können, ob sie zueinander passen.
Während des Rekrutierungsprozesses versuchen Teal-Organisationen der Versuchung zu widerstehen, vor Bewerbern "gut auszusehen". Die Prämisse ist, dass beide Parteien versuchen, eine einfache, grundlegende Frage zu beantworten: Haben wir das Gefühl, dass wir für eine gemeinsame Reise bestimmt sind? Diese Frage kann nur dann sinnvoll beantwortet werden, wenn die Gespräche auf Ehrlichkeit und Integrität beruhen und die Bereitschaft besteht, tief und offen nachzufragen.
In der Praxis
Rekrutierung im Team
In traditionellen Organisationen werden Einstellungsverfahren regelmäßig von Mitarbeiterinnen der Personalabteilung durchgeführt. Ihr Interesse ist es, eine offene Stelle schnell mit einer geeigneten Kandidatin zu besetzen, da ihre Leistung manchmal an der Anzahl der von ihnen besetzten Stellen gemessen wird. Es liegt in ihrem besten Interesse, ein positives Bild des Unternehmens und der Stelle zu vermitteln, um den Bewerber zu ermutigen, das Angebot anzunehmen. In gleicher Weise versuchen die Bewerberinnen, sich selbst und ihre Berufserfahrung in einem möglichst positiven Licht darzustellen, um die Chancen zu erhöhen, ein Stellenangebot zu erhalten.
Teal-Organisationen versuchen beide Parteien zu ermutigen, so wahrheitsgemäß wie möglich miteinander umzugehen. Die Vorstellungsgespräche werden von den künftigen Teammitgliedern geführt, die lediglich entscheiden wollen, ob sie mit dem Bewerber täglich zusammenarbeiten möchten. Das Team kann sich von der Personalabteilung beraten lassen, wenn es eine solche Funktion gibt, aber für den Prozess und die Entscheidung sind sie selbst zuständig. 10 bis 12 Gespräche sind nicht ungewöhnlich, damit beide Parteien Zeit haben, sich gegenseitig kennenzulernen und herauszufinden, ob das Team und der Bewerber gut zusammenpassen.
Die Teammitglieder haben keine Einstellungsziele zu erfüllen und neigen dazu, ehrlich über ihren Arbeitsplatz zu berichten. Wenn sie ihrem potentiellen neuen Teamkollegen gegenüber das Unternehmen zu positiv darstellen, müssen sie täglich mit den Konsequenzen leben. Da die Teammitglieder dazu neigen, ehrlich über ihren Arbeitsplatz zu sprechen, fühlen sich die Bewerberinnen dazu eingeladen, ebenfalls ehrlich zu sein. Die Bewerber lernen oft alle ihre künftigen Kolleginnen kennen, besichtigen die Räumlichkeiten und werden eingeladen, wirklich alle möglichen Fragen zu stellen, um festzustellen, ob sie sich wirklich berufen fühlen, dort zu arbeiten. Viele Teal-Organisationen berichten, dass ihre Rekrutierungsprozesse und -entscheidungen deutlich länger dauern können als üblich. Manchmal nehmen sie ein langsameres Wachstum in Kauf und halten eine Stelle so lange offen, bis sie eine Person gefunden haben, die nicht nur zu der offenen Stelle, sondern auch zur Organisation und ihrem Sinn passt.
Was eine gute Passung ausmacht
Die meisten traditionellen Organisationen konzentrieren sich darauf, ob eine Person zur Stellenbeschreibung passt. Teal-Organisationen neigen dazu, eine breitere Perspektive einzunehmen und die Personalbeschaffung als einen wechselseitigen Entdeckungsprozess zu gestalten, um eine grundlegende Frage zu beantworten: Sind wir für eine gemeinsame Reise bestimmt?
Passung zur Rolle
Die Beurteilung der Eignung in Bezug auf Fähigkeiten, Erfahrung und Fachwissen ist nach wie vor ein wichtiger Bestandteil des Rekrutierungsprozesses, vor allem bei spezifischen Aufgaben, die Fachwissen erfordern. Die Rollen in selbstführenden Organisationen werden jedoch sehr fließend ausgetauscht. Aus diesem Grund wird die "Passung zur Stelle" oft nicht als vorrangig angesehen, da sich die Rollen einer Person schnell ändern können. Selbstführende Organisationen machen die Erfahrung, dass Mitarbeiterinnen, die motiviert sind, eine neue und herausfordernde Rolle zu übernehmen, in überraschend kurzer Zeit neue Fähigkeiten und Erfahrungen erwerben.
Passung zur Organisation
Ein zweiter Bereich, den es im Gespräch zu erkunden gilt, ist: Wird sich diese Person in der Organisation entfalten? Wird sie oder er in einem selbstorganisierten Umfeld aufblühen? Fühlt sich die Person von den Werten des Unternehmens angesprochen? Macht es bei ihr oder ihm "klick" mit den Kollegen? Viele Teal-Organisationen, wie z. B. Morning Star, bieten den Bewerbern eine Schulung in Selbstführung an, damit sie herausfinden können, ob dies ihren Vorstellungen entspricht. Andere Organisationen schaffen Momente im Einstellungsprozess, in denen ausführliche Gespräche über die Werte des Unternehmens und des Bewerbers geführt werden.
Passung zum Sinn der Organisation
Und schließlich: Fühlt sich die Person durch den Sinn der Organisation angesprochen. Gibt es etwas in der Geschichte der Person, was sie in Einklang mit dem Sinn bringt und sie dazu veranlasst, diesem Sinn in diesem Moment ihres Lebens zu dienen? Die durch diese Fragen ausgelöste Diskussion kann sehr tiefgreifend sein und sowohl der Bewerberin als auch der Organisation helfen, mehr über sich selbst zu erfahren. Die Rekrutierung wird zu einem Prozess der Selbsterkundung sowie zu einem Prozess der gegenseitigen Erkundung.
Die Passung testen
Testphasen sind in Teal-Organisationen üblich. Einige Organisationen, zum Beispiel FAVI, nutzen diese Zeit für beide Seiten ausgiebig, um zu testen, ob die Zusammenarbeit langfristig gut funktioniert. Zappos bietet seinen neuen Mitarbeitern einen Scheck über 3.000 Dollar, wenn sie es sich anders überlegen und während der vierwöchigen Orientierungsphase kündigen. Die Idee dahinter ist, dass es für alle Beteiligten besser ist, wenn sie nicht in einem Verhältnis bleiben, das unglücklich zu sein verspricht.
Häufig gestellte Fragen
Manche Menschen fühlen sich mehr zu einem selbstführenden Umfeld hingezogen als andere, oder zu einem Ort, der Menschen dazu einlädt, sich ganz zu entfalten oder sich intensiv mit einem bestimmten Sinn zu beschäftigen. Je mehr das Einstellungsverfahren den Bewerberinnen die Möglichkeit gibt, die Art des Arbeitsplatzes, für den sie sich bewerben, genau zu verstehen, desto größer ist die Chance, dass sowohl das Unternehmen als auch das Individuum ein klares Verständnis dafür haben und erkennen, wenn die Passung nicht ideal ist.
- Hinsichtlich der Selbstführung ist die Herausforderung je nach Hintergrund der Person unterschiedlich. Wenn der Kandidat daran gewöhnt ist, eine Führungskraft zu sein oder in einer Stabsstelle zu arbeiten, die Macht über operative Einheiten hat, kann dies ein schwieriger Übergang sein. Kandidatinnen, die zuvor auf einer niedrigeren Ebene der Organisation gearbeitet haben, können sich anfangs schwer tun, mit dem höheren Maß an Commitment und persönlicher Verantwortung umzugehen, die die Selbstführung erfordert.
- Hinsichtlich der Ganzheit: Fühlt sich die Person in einem Umfeld wohl, in dem die Kolleginnen voneinander erwarten, dass sie offen und verletzlich sind, dass sie sich aus einer Position der Ganzheit heraus zeigen?
- Hinsichtlich des evolutionären Sinns: Stimmt die Person mit dem Sinn der Organisation überein und fühlt sie sich in einem Umfeld wohl, in dem es wenig Vorhersage und Kontrolle gibt und mehr Wahrnehmung und Reaktion?
Traditionelle Organisationen, die zu Teal wechseln, stellen fest, dass es oft schwer vorherzusagen ist, wer in der neuen Umgebung aufgehen wird und wer nicht. Manche Menschen blühen plötzlich auf, während andere, von denen alle vorausgesagt haben, dass sie es lieben würden, sich schwer tun. Es kann also hilfreich sein, sich bei der Einstellung Zeit zu lassen und, wenn möglich, eine Testphase einzuplanen, um die Chancen auf eine gute Passung zu erhöhen.
Wie in jeder Organisation besteht auch hier das Risiko, dass Menschen lieber jemanden einstellen, der ihnen ähnlich ist: gleiches Alter, gleiche Erfahrung, gleiche Grundausbildung. Dieses Risiko wird dadurch gemindert, dass die Einstellung oft eine Teamangelegenheit ist und nicht nur eine Entscheidung eines Einzelnen oder einer kleinen Gruppe.
Einige [Teal-Organisationen] (../teal-paradigm-and-organizations/) haben Verfahren erfunden, um die Vielfalt zu bewahren (siehe das zweimonatliche RHD-Treffen "Ismen am Arbeitsplatz").