Innovation und Produktentwicklung

Beim Thema „Innovation und Produktentwicklung“ geht es darum, wie Fortschritte und Verbesserungen in Teal-Organisationen erfolgen.

Eine neue Perspektive

Einer der Schatten von Orange ist die "verrückt gewordene Innovation". Da die meisten unserer Grundbedürfnisse befriedigt sind, versuchen die Unternehmen, ständig neue Bedürfnisse zu wecken, indem sie die Illusion nähren, dass mehr Dinge, die wir nicht wirklich brauchen - mehr Besitz, die neueste Mode, ein jugendlicherer Körper - uns glücklich und vollständig machen werden. Wir erkennen zunehmend, dass ein Großteil dieser Wirtschaft, die auf fabrizierten Bedürfnissen beruht, aus finanzieller und ökologischer Sicht nicht nachhaltig ist. Wir haben ein Stadium erreicht, in dem wir oft Wachstum um des Wachstums willen anstreben, einen Zustand, den man in der medizinischen Terminologie einfach als Krebs bezeichnen würde.[1]

Für Teal-Unternehmen ergibt sich der Anstoß zur Innovation aus dem evolutionären Zweck einer Organisation. Die Vorstellung von Innovation geht über den Nutzen für die Organisation hinaus und wird nicht konventionell durch die Brille von Gewinn und Wettbewerb betrachtet. Um zu beurteilen, ob sich eine Innovation lohnt, verwendet Teal eine breite Palette an Belegen für Schönheit, Kreativität und letztlich für den Dienst am Zweck der Organisation und damit an der Gesellschaft.

Hier nun weitere Informationen über Innovation und Produktentwicklung in früheren Entwicklungsphasen:

Rote Organisationen

Rote Organisationen reagieren opportunistisch und anpassungsfähig auf ihr Umfeld, ohne sich jedoch speziell auf Innovationen auszurichten.

Bernsteinfarbene Organisationen

Bernsteinfarbene Organisationen legen Wert auf vorhersehbare Prozesse. Ihre dauerhafte Existenz ist an die Beibehaltung bewährter Instrumente und Rollen gebunden. Innovationen werden mit Bedacht und nach Zustimmung von oben eingeführt.

Orange Organisationen

Bei orangen Organisationen wird Innovation zur zentralen Praxis. Sie ist notwendig, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Auf Unternehmensebene wird in Forschung und Entwicklung investiert. Gegebenenfalls werden Forschungszentren eingerichtet. Auf operativer Ebene werden die Einheiten ermutigt, auf dem Weg zur Zielerreichung kreativ zu sein. All diese Aktivitäten werden im Rahmen der regelmäßigen operativen und strategischen Planungszyklen überprüft.

Grüne Organisationen

Grüne Organisationen sind werteorientiert, was ihren Ansatz für Innovationen prägt. Es geht nicht nur um Umsätze, sondern auch darum, einem höheren Zweck zu dienen. Dies spiegelt sich beispielsweise in der Produktentwicklung/-auswahl bei Whole Foods wider, und es fördert die Service-Level-Initiative wie bei Southwestern Airlines. Ihre Multi-Stakeholder-Sichtweise ermutigt sie, neue Ansätze zu finden für die Arbeitsverhältnisse, die Befähigung der Mitarbeitenden, den Kundenservice, die Interessen der Aktionäre und die Gemeinschaften, zu denen sie gehören.

In der Praxis

Teal-Organisationen fokussieren sich darauf, bessere Wege zu finden, um dem einzigartigen Gespür für den evolutionären Zweck der Organisation zu dienen, anstatt die Konkurrenz auszustechen. Die Mitglieder werden ermutigt, Möglichkeiten zu erahnen und diese im Rahmen des Beratungsprozesses zu testen. Das bedeutet, dass Ideen mit sachkundigen Kollegen diskutiert werden müssen. In diesem Umfeld kann jeder ein Innovator sein.

Design für Leben, Schönheit, Nutzen

Produktinnovationen in traditionellen Unternehmen sind in der Regel das Ergebnis eingehender Analysen der Kundensegmente, des Käuferverhaltens und der Konkurrenz - ein Ansatz, der eher in der linken Gehirnhälfte erdacht wird.

In Teal-Organisationen ist die Quelle der Innovation die rechte Gehirnhälfte. Sie wird von der Zielsetzung gespeist und entsteht aus dem "Hören" auf die scheinbar richtigen Angebote. Man versucht, folgende Fragen zu beantworten:

- "Auf welches Produkt wären wir wirklich stolz?"

- "Welches Produkt würde ein echtes Bedürfnis in der Welt befriedigen?"

- "Welches Produkt oder welche Dienstleistung können wir in einzigartiger Weise anbieten?"

Diese Überlegungen werden von der Intuition und dem Schönheitsempfinden geleitet. Sie können auch durch strukturierte Designmethoden unterstützt werden, die dazu dienen, einfühlsames Denken zu fördern. Ein Beispiel dafür ist das Konzept der "Design Ideation"[2]. Bei diesem Prozess verbringen Mitarbeitende an vorderster Front lange Zeit in der Praxis und beobachten, wie ihre Kunden ihre Produkte und Dienstleistungen nutzen.

Innovation an der Kundenfront

Alle Mitarbeitenden an der Kundenfront können auf der Grundlage von Erkenntnissen handeln, die sie aus der engen Zusammenarbeit mit der Kundschaft gewonnen haben; sie verfügen dadurch über ein tiefes Verständnis für deren Bedürfnisse. Mit dem Teal-Selbstmanagement steht der Umsetzung einer guten Idee nichts im Wege, wenn sie für die Kundschaft von Nutzen ist und der Beratungsprozess eingehalten wird.

Teilen von Praxiserfahrungen

Neue Erkenntnisse und Verfahrensweisen werden in Teal-Organisationen systematisch ausgetauscht, oft über das Intranet oder ein Wiki. Durch "Spüren und Antworten" und verschiedene Methoden, die den evolutionären Zweck unterstützen, können diese erfolgreichen Innovationen potenziell schnell in der gesamten Organisation übernommen werden.

Auswirkung von Innovation auf die gesamte Organisation

Eine auftauchende Innovation folgt nicht nur dem organisatorischen Zweck, sondern kann sich auf den evolutionären Zweck eines Teal-Unternehmens mit Impulsen auf eine neue Richtung und neues Potenzial auswirken.

Häufig gestellte Fragen

In Teal-Organisationen ist die Entscheidungsfindung durch den Beratungsprozess bestimmt. Jeder, der über starke Fähigkeiten in einem bestimmten Bereich verfügt, kann unabhängig von seiner Position einen Beitrag leisten, und das gilt definitiv auch für Innovationen. Das Teal-Paradigma verpflichtet jedoch auch alle Entscheidungsträgerinnen, den Beratungsprozess zu durchlaufen und sich mit den geeigneten Personen innerhalb der Organisation auszutauschen. Das bedeutet nicht, dass jeder, der konsultiert wird, mit einer vorgeschlagenen Innovation einverstanden sein muss, sondern nur, dass sein oder ihr Rat berücksichtigt wird. In dem Maße, in dem Steve Jobs' Erfolg als Innovator durch seine Arbeit in einer konventionellen hierarchischen Struktur und seine daraus resultierende Fähigkeit, Entscheidungen im Alleingang zu treffen, begünstigt wurde, könnte dies seine Effektivität in einer Teal-Organisation mindern. Gleichzeitig wird jedoch in Teal-Unternehmen die kollektive innovative Intelligenz der gesamten Organisation freigesetzt, so dass sie nicht so sehr von den Beiträgen Einzelner abhängig ist.

Alle drei Elemente werden durch die Methoden und Grundsätze der Teal-Innovation und -Produktentwicklung unterstützt.

Selbstorganisation

Selbstorganisation ermöglicht es jedem, Innovationen und Verbesserungen von Produkten und Dienstleistungen mit minimaler Verzögerung zu entwickeln. Die Empathie und das Verständnis, das die Mitarbeitenden an der Front für ihre Kundschaft haben, kann für das Eingehen auf beobachtete Bedürfnisse genutzt werden.

Ganzheitlichkeit

Ganzheitlichkeit hält durch einen Ansatz der Integration beider Gehirnhälften Einzug in den Design- und Produktentwicklungsprozess. Bei Teal-Innovationen geht es um Design nach Aspekten wie Schönheit und Intuition sowie nach eher traditionellen Markt- oder Kundenanalysen.

Evolutionärer Zweck

In Teal-Organisationen werden Innovationen in erster Linie danach ausgewählt, ob sie zum Zweck des Unternehmens passen. Darüber hinaus spielt die Innovation eine Schlüsselrolle bei der Weiterentwicklung dieses Zwecks.

Konkrete Fälle als Inspiration

Buurtzorg entwickelt ein neues Internat zur Unterstützung überforderter Angehöriger ihrer Patienten.

Ein Team auf dem Lande hatte eine Idee: Eine Pension für Patienten, um der Hauptpflegeperson des Patienten eine Pause zu ermöglichen. Bei den meisten Patienten übernimmt [Buurtzorg] (http://www.buurtzorgnederland.com/) die medizinische Versorgung, aber jemand anderes - oft der Ehemann oder die Ehefrau des Patienten, manchmal auch das Kind des Patienten - ist die eigentliche Hauptpflegeperson. Es ist nicht ungewöhnlich, dass der Ehemann oder die Ehefrau, die oft auch älter sind, durch die ständige Pflege des Patienten, manchmal 24 Stunden am Tag, erschöpft sind. Wenn die Belastung zu groß wird, kann auch der Pflegende krank werden.

Wäre es nicht wunderbar, dachte ein Team von Krankenschwestern, wenn wir einen Ort hätten, an dem wir unsere Patienten für einen oder zwei Tage oder sogar eine Woche aufnehmen könnten - eine Art Bett und Frühstück und Mittagessen und Abendessen und Betreuung -, so dass ihre Hauptpflegeperson eine Pause machen und sich ausruhen könnte? Eine der Krankenschwestern hatte ein kleines Bauernhaus auf dem Land geerbt. Gemeinsam verwandelte das Team es in eine Buurtzorg-Pension.

Die Idee der Internate wird ihren eigenen Lauf nehmen. Wenn sie gewollt ist, wenn sie genügend Lebenskraft hat, wird sie Pflegekräfte aus anderen Teams anziehen, um sie zu verwirklichen und Buurtzorg in eine neue Dimension der Pflege zu führen. Andernfalls wird es ein Experiment im kleinen Rahmen bleiben[3]

Buurtzorg entwickelt ein neues Dienstleistungskonzept, Buurtzorg+, zur Verbesserung der Verletzungsprävention.

Zwei Krankenschwestern eines Buurtzorg-Teams machten sich Gedanken über die Tatsache, dass sich ältere Menschen bei Stürzen häufig die Hüfte brechen. Hüftoperationen sind Routineeingriffe, aber die Patienten erlangen nicht immer die gleiche Selbstständigkeit zurück. Könnte Buurtzorg einen Beitrag dazu leisten, dass seine älteren Patienten nicht stürzen? Die beiden Krankenschwestern experimentierten und schlossen eine Partnerschaft mit einem Physiotherapeuten und einem Ergotherapeuten aus ihrer Nachbarschaft. Sie berieten die Patienten über kleine Veränderungen, die sie in ihrer Wohnung vornehmen konnten, und über die Änderung von Gewohnheiten, die das Risiko eines Sturzes minimieren würden. Andere Teams zeigten Interesse, und der Ansatz, der nun Buurtzorg+ genannt wird, hat sich im ganzen Land verbreitet. Die beiden Krankenschwestern erkannten einen Bedarf und setzten ihn mit der Kraft des Selbstmanagements um. Das Selbstmanagement trug dazu bei, die Idee zu verbreiten. Jedes Team, das sich für Buurtzorg+ interessiert, kann sich für eine Schulungsveranstaltung anmelden, in der es die Grundlagen des Konzepts und den Aufbau einer solchen Partnerschaft in seiner Nachbarschaft lernt[4]

FAVI erfindet das erste Verfahren zum Gießen von 100% reinem Kupfer.

In den 1990er Jahren waren CEO Zobrist und einige Mitarbeitende bei FAVI von der folgenden Idee fasziniert: Gießereien stellen immer Legierungen her, weil reines Kupfer nicht geformt werden kann. Was wäre, wenn FAVI das Unmögliche möglich machte und industrielle Produkte aus 100% reinem Kupfer formen könnte? Man begann zu tüfteln.

Würde es einen Markt für solche Produkte geben? Man hatte keine Ahnung und gab dennoch keine Marktstudie in Auftrag. Reines Kupfer hat einige Eigenschaften wie z.B. elektrische Leitfähigkeit, die Legierungen nicht haben. Eine solche Eigenschaft muss also einen Zweck haben. Was die Mitarbeitenden wirklich begeisterte, war nicht der sich möglicherweise eröffnende Markt. Sie waren begeistert von der Schönheit des scheinbar Unmöglichen: reines Kupfer zu formen.

Nach zwei Jahren der Tüftelei gelang es ihnen. Und wie man es sich vorgestellt hatte, öffnete sich ein Markt von selbst. Rotoren aus reinem Kupfer haben in Elektromotoren interessante Eigenschaften. Dies ist heute ein wichtiges Geschäft für FAVI.[5]

FAVI erfindet eine neue antiseptische Kupferlegierung für Krankenhäuser.

Metallurgen wissen schon lange, dass Kupfer antiseptische Eigenschaften hat. Schade nur, dachte man sich bei FAVI, dass diese Eigenschaft nicht in Produkten genutzt wird. Ein Team begann, an antimikrobiellen Kupfergeräten für Krankenhäuser zu tüfteln. Ein Prototyp zeigte bald vielversprechende Ergebnisse, aber CEO Zobrist störte die Farbe. Die rötliche Farbe des Kupfers erinnerte an Sanatorien aus dem 19. Jahrhundert.

Zobrist fragte das Projektteam, ob sie einen Prototyp mit einer silberfarbenen Legierung herstellen könnten, um ihm den Glanz von rostfreiem Stahl zu verleihen, der mit modernen Geräten verbunden wird. Das Team spottete: Das hatte einfach keinen Sinn. Durch das zusätzliche Material für die Legierung würde das Kupfer seine antiseptischen Eigenschaften verlieren. Zobrist wusste also, dass er keinen guten Grund hatte, darauf zu bestehen. Aber er war von einem tiefen ästhetischen und intuitiven Gespür besessen, dass es sich lohnen würde, die Idee weiterzuverfolgen. Es gelang ihm, das Team zu überzeugen, es auf einen Versuch ankommen zu lassen.

Zur allgemeinen Überraschung und aus bis heute ungeklärten Gründen behielt die silberfarbene Legierung die antiseptischen Eigenschaften des Kupfers nicht nur bei, sondern verstärkte sie sogar. Für FAVI öffnete sich ein neuer Markt.

Das Produktentwicklungsverfahren, mit dem FAVI diesen Durchbruch erzielte, wurde mit dem japanischen Professor Shoji Shiba erarbeitet. Es handelt sich um einen Designprozess, der ausdrücklich Emotion, Schönheit und Intuition mit berücksichtigt[6]

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    Anmerkungen und Referenzen


    1. Übersetzt aus: Laloux, Frederic (2014-02-09). Reinventing Organizations: A Guide to Creating Organizations Inspired by the Next Stage of Human Consciousness (Kindle Locations 837-841). Nelson Parker. Kindle Edition. ↩︎

    2. Ideation für Produktdesign von IDEO - http://www.ideo.com/ ↩︎

    3. Laloux, Frederic. Reinventing Organizations. Nelson Parker (2014), Seite 200 ↩︎

    4. Laloux, Frederic. Reinventing Organizations. Nelson Parker (2014), Seite 203 ↩︎

    5. Übersetzt aus: Laloux, Frederic. Reinventing Organizations. Nelson Parker (2014), S. 208 ↩︎

    6. Übersetzt aus: Laloux, Frederic. Reinventing Organizations. Nelson Parker (2014), S. 209 ↩︎