Camif
Camif wurde 1947 gegründet. Nach einem Konkurs im Jahr 2008 wurde das Unternehmen von Emery Jacquillat als Haupteigentümer und CEO übernommen und neu aufgestellt. Heute konzentriert es sich auf Möbel, Bettwaren und Produkte „made in France“ (die über 70 % des Umsatzes ausmachen) und vertreibt diese ausschließlich online.
Diese Fallstudie wurde im Juni 2021 veröffentlicht.
- G. Wholesale and retail trade; repair of motor vehicles and motorcycles
- France
1-100
Profit
Teal Praktiken
Einer der drei A-Werte des Unternehmens (neben Audazität und Agilität) ist Aufmerksamkeit. In diesem Sinne sollte die persönliche Haltung der Mitarbeitenden davon geprägt sein, für sich zu sorgen, Verbindungen zu anderen zu schaffen und offen für die Welt zu sein. Camif schenkt seinem Ökosystem besondere Aufmerksamkeit. Die gemeinsam mit den Stakeholdern des Unternehmens entwickelte Mission lautet: „Produkte und Dienstleistungen für Zuhause anbieten, die der Menschheit und dem Planeten zugute kommen. Das Unternehmen mobilisiert sein Ökosystem, arbeitet in Gemeinschaft und handelt, um neue Modelle des Konsums, der Produktion und der Organisation zu entwickeln."
Das Ökosystem besteht aus dem Kundenkreis, den Mitarbeitenden, Lieferanten, Aktionären und lokalen Anspruchsgruppen. Um sich den Innenraum der Zukunft vorzustellen, hat man eine einzigartige Veranstaltung ins Leben gerufen, den „Camifathlon". Zwei Tage lang versammelte das Unternehmen einen Teil seines Ökosystems (Expertinnen, Lieferanten, Designerinnen oder Kunden), um die Kollektionen von Camif für die kommenden Jahre gemeinsam zu gestalten.
Jedes Jahr ermöglicht die kostenlose Online-Camif-Tour den Teilnehmenden, hinter die Kulissen der französischen Produktion zu schauen, den Austausch zu fördern und Kontakte zu den Herstellern in den Regionen zu knüpfen. https://www.camif.fr/tour_camif.html
Nach der Übernahme und Fusion von Camif im Jahr 2009 war dem CEO klar, dass die Entwicklung hin zu einer stärkeren Zusammenarbeit zwischen den Teams einen zeitaufwändigen Kulturwandel erforderlich machen würde. Um Verbindungen zu schaffen und Innovationen zu fördern, hat Camif für drei Monate eine Künstlerin engagiert. Erstaunt, dass sich die Mitarbeitenden im Großraumbüro E-Mails schickten, statt miteinander zu reden, markierte sie die Stellen, an denen ein echter Austausch stattfand, mit rosa Streifen auf dem Boden. Die weniger Gesprächigen verstanden schnell, dass es ihnen an Interaktivität fehlte. Dann benannte die Künstlerin die Parkplätze nach ihren Lieblingskünstlern. Jeden Morgen entdeckten die Mitarbeitenden beim Einparken neue Malerinnen oder Bildhauer und unterhielten sich über diese. Die Teams wurden durch den Dialog und die Verbindung, die durch diese Kreationen entstanden, aufgerüttelt und zugleich zusammengeschweißt. Außerdem ging es nicht mehr darum, die Vergangenheit mit Aussagen wie „das haben wir früher aber anders gemacht" aufzuwärmen.
CAMIF wurde zum Akronym für „C'est A Moi d'Inventer le Futur" („Es liegt an mir, die Zukunft zu erfinden.").
https://www.camif.fr/lesbelleshistoires/anne-laure-maison-une-artiste-en-residence-la-camif.html auf Französisch
Nach der Zertifizierung als Benefit Corporation (B-Corp) im Jahr 2015 entschied sich Camif, eine neue Ära einzuleiten und in Frankreich zum Pionier mit Mission zu werden. Dazu gibt es klare gesetzliche Vorgaben:
- Der Zweck des Unternehmens, die „Mission", ist definiert und in der Satzung verankert.
- Die Satzung verpflichtet die Aktionäre formell und ist mit Bedingungen verknüpft, die erfüllt werden müssen, um die Mission zu ändern oder abzuschaffen (mit generell 2/3 der Stimmen jeder Aktienklasse).
- Kontrollmechanismen im Zusammenhang mit der Mission, die Einführung eines Berichtssystems, die Rechte von Aktionären und Dritten (oder Anspruchsgruppen*) sowie angepasste Managementprozesse begleiten dieses Rechtssystem und gewährleisten seine Steuerung.
Eine konkrete Folge dieser Verpflichtung zur Mission ist der Boykott des „Black Friday“. Camif hat seine Website am 24. November 2017 zum ersten Mal abgeschaltet, um das Bewusstsein für einen verantwortungsvollen Konsum zu schärfen. An diesem Tag ist jeder eingeladen, einen Schritt zur Seite zu treten, um sich von den Gewohnheiten des übermäßigen Konsums zu distanzieren und sich Zeit zu nehmen, über neue Verhaltensweisen wie Recycling und Wiederverwendung nachzudenken.
Mit La Place https://www.camif.fr/laplace/ schlägt Camif Alternativen zum Überkonsum vor und will lokale Produkte fördern. La Place ist eine Plattform, die alle Akteure der verantwortungsvollen Wirtschaft, der Reparatur, des Recyclings oder der Sozial- und Solidarwirtschaft zusammenbringt.
(*) Kunden, Mitarbeitende, Lieferanten, Aktionäre, lokale Anspruchsgruppen
Bevor Camif in Konkurs ging und 2009 übernommen wurde, war das Unternehmen sehr hierarchisch organisiert und abgeschottet. Das neue Management befürwortet nun den freien Informationsfluss. Es propagiert auch aktiv die Bewegung von Menschen! Jede Woche heißt es „Reise nach Jerusalem": Jeder Mitarbeitende wechselt nach einem sorgfältig abgestimmten Zeitplan den Sitznachbarn. Außerdem gibt es das „Dienstags-Update": eine Diashow, bei der die Belegschaft einen Überblick über die Aktivitäten, die laufenden Projekte und die Ergebnisse erhält. Die Moderation übernimmt jedes Mal jemand anderes. Dies ist eine Gelegenheit, das Kerngeschäft von Camif zu überprüfen: Marketing und Angebot. Die Mitarbeitenden können ihre Folien vor dem Dienstagmorgen einfügen, um besondere Themen ihrer Aktivitäten zu präsentieren, Freiwillige anzuwerben usw. (die Foliensammlung ist im Netz verfügbar). Das Treffen am Dienstag ist auch eine Gelegenheit, um über gemeinsam zu treffende Entscheidungen zu sprechen: die Telearbeitscharta, ... Neuankömmlinge stellen sich der Belegschaft vor (Hintergrund, Aufgabe, Lieblingsessen, Geste für den Planeten). Die Teilnahmequote liegt in der Regel bei 100 %, abgesehen von Abwesenheiten aus Gründen wie Krankheit, Urlaub oder Freistellung. Jede Woche wird ein Mitarbeitender nach dem Zufallsprinzip ausgelost, der die Moderation für den folgenden Dienstag übernimmt und sich bei dieser Gelegenheit selbst vorstellt. Ziel ist es, alle Mitarbeitenden, die nicht unbedingt die Möglichkeit haben, sich öffentlich zu äußern, zu ermutigen, dies zu tun.